Anfang des 20. Jahrhunderts gehörten die befreundeten Familien Dabinnus und Meyer zum deutschnationalen Großbürgertum von Königsberg. 1939 verkaufte Hans-Joseph Meyer seine Mühle im polnischen Bartoszyce an Georg Dabinnus. Was hatte es wirklich mit dem „Verkauf“ des Mühlenbetriebs auf sich? Meyer war Jude, der Verkauf fand 1939 statt. War der Mühlen-Verkauf eine Arisierung wie viele andere? War nicht, wie es ein Familiengerücht behauptet, der Dabinnus-Verwandte Bruno Dzubba im Dienst des Gauleiters Erich Koch Spezialist für Enteignungen jüdischer Bürger? Oder war es doch eine Tarnungsmaßnahme im gegenseitigen Eiverständnis, um das Hab und Gut nicht in die falschen Hände fallen zu lassen? Meyer und seine Frau Lotte wurden in Auschwitz ermordet, ihre Kinder überlebten in der Schweiz.
Vor etwa 20 Jahren suchte Billy Meyer, Enkel des ersten Mühlenbesitzers Hans-Joseph Meyer, Georg Dabinnus auf, um seinerseits Licht in die Angelegenheit zu bringen – ohne nennenswerte Erkenntnisse. Gemeinsam mit Billy und dessen Schwester Brigitte, holt Burchard Dabinnus seit Jahren die Bruchstücke dieser zwei miteinander verwobenen Familiengeschichten ans Licht und horcht familiäre Legenden ab. Auf dem Weg zur Klarheit lauern jede Menge Fragen, Widersprüche und unangenehme Überraschungen. Viele Teile des Puzzles fehlen bis heute. Die „Reste von Gestern“ sind jedoch nicht nur ein Stück privater, familiärer Zeitgeschichte, sondern werfen ihre Schatten auch in unsere unmittelbare politische Gegenwart. Für Burchard Dabinnus steht deshalb der Dialog mit den Nachfahren der Meyers im Mittelpunkt der „Mühlengeschichte“.
Daraus entsteht ein Theaterprojekt in mehreren Etappen: Im Februar treffen die Meyer-Enkel Billy und Brigitte mit Mitgliedern der Dabinnus-Familie im Theater HochX zusammen. Eine dritte Familie, die aufschlussreiche Informationen beisteuern könnte, ist die von „Onkel Bruno“, nämlich die Familie von Bruno Dzubba, der nach dem Krieg in Neumünster lebte und oft in München bei seiner Tochter Ingrid Andrae zu Besuch war. Ingrid Andrae, Moderatorin und Journalistin beim BR, kam 1973 bei einem bis heute rätselhaften Autounfall auf der Luitpoldbrücke ums Leben. Welche Rolle ihr Vater im Nationalsozialismus spielte und ob er etwas mit der „Mühlengeschichte“ zu tun hatte, ist eine der zentralen Recherchefragen des Projekts. Bruno Dzubba starb 1976. Von Seiten der Familie Dzubba konnte Burchard Dabinnus für sein Projekt bislang niemanden mehr ausfindig machen.
Nach den beiden Februarterminen macht das Projekt im Spätsommer Station in Berlin und Bartoszyce. Im Oktober kommt das verdichtete Material schließlich als Theaterabend auf die Bühne des HochX. Arbeitstitel: „Die Mühlengeschichte“.
Sprecher/Spieler: Marion Freundorfer, Katja Amberger, Arno Friedrich, Catalina Navarro Kirner, Burchard Dabinnus | Gäste: Brigitte und Billy Meyer, Simone Bartels, Henri Rösch | Musik: Brigitte Meyer und Ardhi Engl | Raum, Ausstattung: Marlene Rösch, Pauline Schulze | Licht: Ramona Lehnert | Dramaturgie: Barbara Altmann | Konzept und Regie: Burchard Dabinnus | Historischer Support: Dr. Christian Rohrer
Station 1: „Der Unfall“. UND WER WAR PÄPSCHEN?
Donnerstag, 16. Februar | Treffpunkt um 11.30 Uhr am Friedensengel | Dauer: ca. 30 min
Eintritt frei, Anmeldung: reservierung@theater-hochx.de / Tel. 089-20970321
Mit Marion Freundorfer, Arno Friedrich, Catalina Navarro Kirner, Burchard Dabinnus. Musik: Ardhi Engl
Station 2: „Puzzlestücke“
Samstag, 25. Februar, 19 Uhr und Sonntag, 26.2., 12 Uhr | HochX, Entenbachstr. 37, 81541 München | Tickets: www.theater-hochx.de
Mit Marion Freundorfer, Katja Amberger, Arno Friedrich, Burchard Dabinnus. Musik: Ardhi Engl, Brigitte Meyer| Gäste: Brigitte und Billy Meyer, Simone Bartels, Henri Rösch