Das Bayerische Staatsschauspiel bietet mit diesem Abend im wunderschönen Rokokosaal des Cuvilliés-Theaters ein stilistisches Kontrastprogramm. Ein englisches Stück in der Tradition des Konversationstheaters mit seinen leisen Tönen und behutsamen Handlungsmustern, eine ernste Konzentration auf das Schicksal dreier Menschen, somit auf die individuelle Strahlkraft dreier Schauspieler.
Ein Arzt ist mit seiner Frau und seinen zwei Kindern aus der Großstadt geflohen, die
Beweggründe werde nur angedeutet. Jedenfalls versieht er jetzt eine sehr anstrengende Landarztpraxis. Seine zu leichter Hysterie neigende Frau versucht dem Landleben tapfer die besten Seiten abzugewinnen. Alles wäre erträglich, aber plötzlich bringt der Mann ein junges Mädchen ins Haus, das er halb bewusstlos auf dem Heimweg nach einem Patientenbesuch aufgegriffen zu haben behauptet. Natürlich hält diese Story der Wahrheitssuche nicht stand. Es ist die Geliebte des Arztes, die er in seiner Seelennot und nicht ganz freiwillig mit seiner Frau konfrontiert. Das heikle Gebilde einer Familie scheint daran zu zerbrechen. Wenn sich am Schluss die Ehe ächzend wieder zusammenfügt, wird trotzdem nie mehr Frieden sein, sondern allenfalls das lebenslange Ausharren auf einem köchelnden Vulkan.
Ein ausgefeiltes Psychogramm des 53-jährigen englischen Dramatikers Martin Crimp. Genau, sensibel und ohne die geringsten modernistischen Mätzchen inszeniert von Antoine Uitdehaag. Stefan Hunstein spielt den Arzt mit grossartiger Natürlichkeit und Ratloskgkeit. Barbara Melzl ist - mit unverkennbar schweizerischem Zungenschlag - eine herrlich gratwandernde Ehefrau. Und Eva Gosciejewicz spielt das junge Mädchen so selbstverständlich, dass wir ein solches Wesen jederzeit in unserer eigenen Umgebung treffen zu können glauben
Premiere am 16. Oktober 2002 im Cuvilliés-Theater