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Zwei Außenseiter - "I am a problem" in der Deutschen Oper am Rhein: "Carmen“ "von Roland Petit und "Baal" von Aszure Barton

Der Kontrast könnte stilistisch nicht größer sein zwischen den beiden Choreografien, die an der Deutschen Oper am Rhein in „I am problem“ zu sehen sind. Und doch haben sie etwas gemeinsam, sie zeigen zwei Facetten eines Nonkonformismus, eines Lebens jenseits gesellschaftlich vorgegebener Normen und Moralität.

 

Copyright: Ingo Schäfer

Die weibliche Variante dieses Lebensmodells wird uns in der von Roland Petit auf der Grundlage von Prosper Merimées Roman und mit Musik aus der Oper von Georges Bizet in „Carmen“ vorgeführt. Die Choreographie aus dem Jahre 1949 wirkt etwas altbacken und ist zeittypisch, eher konventionell. Auch Bühnenbild und Kostüme halten sich an die Vorgaben, wirken folklorell. Angereichert wird die an sich starke Geschichte mit parodistischen Elementen: der eitle Toreador wird zum Hahn im Hühnerhof, Don Jose fällt mehrfach Taschendieben zum Opfer ohne es zu merken. Carmen mit Pagenschnitt ist etwas zu burschikos, die richtige Spannung will da nicht aufkommen, es fehlt das erotische Knistern. Wahrscheinlich hat man daher auch den rebellischen Vogel aus seiner Textzeile entlassen. Die temporeiche, technisch brillante und grandiose Aufführung des Balletts am Rhein überzeugt und wurde vom Publikum hoch goutiert.

Ebenfalls ohne Moral ist Baal in der jetzt in Düsseldorf uraufgeführten Choreographie von Aszure Barton. Baal ist sorglos und skrupellos, frei von Konventionen und Moral, nimmt sich, was er will. In seinen Beziehungen zu anderen gibt es zwar auch Nähe und Freundschaft, aber diese ist nur für eine begrenzte Zeit vorhanden und wird nach Bedarf erbarmungslos aufgegeben. Rücksicht gegenüber Gefühlen und Erwartungen anderer kennt er nicht, auch vor der Ermordung seines besten Freundes Ekart schreckt er nicht zurück. Immer mehr verliert er an Kraft, seine Ausstrahlung versiegt.
In einzelnen Episoden zeichnet Bertolt Brecht in seinem ersten Theaterstück 1918 den Menschen Baal, der in der Tanzadaption von Aszure Barton auch etwas Gehetztes hat. Die teilweise an Minimal Music erinnernde grandios stimmige Musik von Nastasia Khrustcheva unterstreicht das durch ihre Repetitionen. Für die Beziehungen zu seinen Geliebten und zu seinem Freund findet Barton faszinierende Bilder zwischen Anziehung, Abstoßung und Intimität. Miquel Martínez Pedro als Baal leistet Herausragendes. Besonders berührend sind die Szenen mit Julio Morel. Eine Kachelwand in morbidem Grün, davor Baal in Laubfroschgrün: zum überzeugenden Gesamteindruck trägt das kühl gehaltene Bühnenbild und die Kostümierung bei.

Aszure Barton ist mit „Baal“ ein großer Coup gelungen, ein überaus packendes und unbedingt sehenswertes Stück! Und so fand diese Begeisterung auch in frenetischem Beifall mit mehreren Vorhängen ihren Ausdruck und ihre Anerkennung.

Carmen
Nach einer Novelle von Prosper Mérimée
Uraufführung am 21. Februar 1949 des Ballet de Paris, Shaftesbury Theatre, London

Choreographie: Roland Petit
Musikalische Leitung: Martin Braun
Musik: Georges Bizet, arrangiert von David Garforth
Bühne und Kostüme: Antoni Clavé
Licht: Jean-Michel Désiré
Einstudierung: Luigi Bonino

Carmen: Futaba Ishizaki
Don José: Gustavo Carvalho
Toreador: Daniele Bonelli / Niklas Jendrics
Banditen: Doris Becker, Kauan Soares, Pedro Maricato
Volk:
Mariana Dias, Rose Nougué-Cazenave, Charlotte Kragh, Norma Magalhães, Neshama Nashman, Clara Nougué-Cazenave, Marié Shimada, Courtney Skalnik / Elisabeth Vincenti, Maria Luisa Castillo Yoshida / Courtney Skalnik, Rashaen Arts, Rubén Cabaleiro Campo, Tommaso Calcia, Philip Handschin, Vincent Hoffman / Eric White, Niklas Jendrics / Vincent Hoffman, Pedro Maricato, Julio Morel, Evan L'Hirondelle
Düsseldorfer Symphoniker

BAAL
Uraufführung nach einem Schauspiel von Bertolt Brecht
Choreographie: Aszure Barton
Musikalische Leitung: Martin Braun
Musik: Nastasia Khrustcheva
Bühne und Licht: Burke Brown
Kostüme: Michelle Jank
Video: Tobin Del Cuore
Libretto und Dramaturgie: Carmen Kovacs
Baal: Miquel Martínez Pedro
Ekart: Julio Morel
Sophie: Simone Messmer
Johannes: Evan L'Hirondelle
Johanna: Rose Nougué-Cazenave
Luise: Wun Sze Chan
Emilie: Futaba Ishizaki
Mech: Eric White
Die beiden Schwestern: Sara Giovanelli, Courtney Skalnik / Elisabeth Vincenti
Hohe Gesellschaft:
Rashaen Arts, Rubén Cabaleiro Campo, Tommaso Calcia, Neshama Nashman / Maria Luisa Castillo Yoshida, Mariana Dias / Michael Foster, Niklas Jendrics, Charlotte Kragh, Marié Shimada, Courtney Skalnik, Kauan Soares, Elisabeth Vincenti / Neshama Nashman

Fuhrleute:
Rashaen Arts, Rubén Cabaleiro Campo, Tommaso Calcia, Mariana Dias, Niklas Jendrics, Charlotte Kragh, Neshama Nashman, Emilia Peredo Aguirre, Marié Shimada, Kauan Soares, Eric White

Holzfäller:
Rubén Cabaleiro Campo, Tommaso Calcia, Wun Sze Chan, Mariana Dias, Sara Giovanelli, Charlotte Kragh, Courtney Skalnik / Elisabeth Vincenti, Marié Shimada, Kauan Soares
Düsseldorfer Symphoniker

 

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