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Zum Tod von Jochen UlrichZum Tod von Jochen UlrichZum Tod von Jochen Ulrich

Zum Tod von Jochen Ulrich

Jochen Ulrich, der Ballettdirektor des Landestheaters Linz, ist tot. 1944 wurde er in Osterode geboren, begann seine Laufbahn als Tänzer 1967 an der Kölner Oper, wo er bereits 1970 mit ersten choreographischen Arbeiten überregionale Beachtung fand. Mit dem Kölner Tanz-Forum, das er 1971 mitbegründete und ab 1979 leitete, nahm er prägenden Einfluss auf die Entwicklung des modernen Tanzes in Deutschland.

Seine auf der klassischen Ausbildung basierende neue Bewegungssprache gewann ihre besondere Wirkung aus der athletisch-technischen Erweiterung tänzerischer Impulse – in Verbindung mit starken und faszinierenden Geschichten. Seine Ballette waren und sind (vielfach ins Repertoire diverser Bühnen eingegangen) Zeugnisse seines Engagements für den Tanz als erzählender Durchdringung zutiefst menschlicher Themen und Schicksale.

 

Tourneen mit der Kölner Kompanie, Einladungen zu Gastspielen in ganz Europa haben Ulrichs Arbeit international bekannt gemacht. Die Konzeption und Organisation seiner Internationalen Woche des modernen Tanzes hat in Köln über lange Jahre ein Forum aktueller Entwicklungen der Tanzkunst etabliert. Immer wieder wirkte er neben seiner Tätigkeit als Ballettdirektor als Gastchoreograph im gesamten deutschsprachigen Raum.

 

Als Talentsucher und Lehrer ist Jochen Ulrich Mentor und Förderer zahlreicher Tänzerinnen und Tänzer, Choreographinnen und Choreographen, die international Karriere gemacht haben. Fachliche Meisterschaft und die Fähigkeit, seinen Enthusiasmus auf andere zu übertragen, machten seine kreative Arbeit zum Ausgangspunkt der künstlerischen Entwicklung seiner Mitarbeiter. Eine ganze Reihe von Protagonisten der Kölner Jahre haben inzwischen leitende Positionen in der Welt des Tanzes.

 

Im Jahr 2000 übernahm Jochen Ulrich die Direktion des Balletts am Tiroler Landestheater in Innsbruck. Intendant Rainer Mennicken holte ihn 2006 nach Linz, wo er mit seiner neu formierten Kompanie gemeinsam mit Chefdirigent Dennis Russell Davies und dem Bruckner Orchester Linz große Erfolge errang. Ballettabende wie FIDELIO, CAMPO AMOR, ANNA KARENINA oder jüngst ZAUBERNACHT/DIE SIEBEN TODSÜNDEN (mit der legendären Marianne Faithfull als Anna I) haben sich tief in die Erinnerung des Publikums und aller Beteiligten eingeprägt.

 

Ulrichs Arbeit war stets der Ausdruck seiner Begeisterung für das Theater insgesamt. Er inszenierte Opern und Musicals, choreographierte Produktionen anderer Sparten und engagierte sich als Partner und treibende Kraft für die Geschicke der ganzen Theaterfamilie. In den vergangenen Jahren setzte er sich tatkräftig für die Beteiligung des Tanzensembles an den Veränderungen ein, die mit der Errichtung des neuen Musiktheatergebäudes in Linz verbunden sind. Seine Visionen neuer Formate mit einer erweiterten Kompanie waren stimulierend für die Programmentwicklung der kommenden Jahre. Seine Vorfreude auf die neue Bühne, den neuen, großzügigen Ballettsaal, die Verbesserung der Rahmenbedingungen auch für den Tanz am Landestheater Linz machten ihm die schönsten Hoffnungen. Nun kann er die neue Zeit nicht mehr erleben und gestalten. Am frühen Morgen des 10. November 2012 ist er nach längerer schwerer Krankheit gestorben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landestheaters trauern. Theater und Publikum haben einen großen Künstler und wunderbaren Menschen verloren.

 

Auch die Theater Chemnitz trauern um Jochen Ulrich, der heute Morgen im Alter von 68 Jahren in Linz verstorben ist. Er war einer der bedeutendsten deutschen Choreografen der letzten Jahrzehnte, seine Arbeit wirkte stilprägend. Er war hier erstmalig 2009 mit „Exercises for Dancers“, seiner rasanten Tanz-Komödie über den Tänzeralltag, als Choreograf zu erleben. 2011 kehrte er für „Anna Karenina“ nach Tolstois Roman zur Musik von Sergej Rachmaninow zurück und feierte damit einen enormen Publikumserfolg.

 

Am 10.11.2012, 19.30 Uhr hat sein Ballett „Nussknacker und Mausekönig“ im Chemnitzer OpernhausPremiere. Die Theater Chemnitz widmen ihm diese Vorstellung.

 

 

 

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