
Dabei gilt es zu bedenken, dass Figurentheater per se immer schon ein kleines Wunder ist: Tote Materie wird lebendig und zieht die Zuschauer in ihren Bann. Dabei ist es selbst höchst fragil – jederzeit kann das „lebendige“ Material in sich zusammensacken.
Aus bekannten Gründen werden die Zuschauerzahlen in diesem Jahr auf etwa ein Viertel der Kapazität beschränkt sein. Und trotzdem: Groß denken, über den Tellerrand und weit in die Ferne – das lässt sich mit den Wesen, die auf der Bühne zum Leben erwachen, vergleichsweise leicht realisieren, an quasi allen Orten. Das internationale Figurentheaterfesti-val WUNDER. macht also die Not zur Tugend und experimentiert, welche Theaterformen jetzt möglich sind. Dabei stellen sich alte Fragen immer wieder neu: Wie kann Nähe trotz all der Distanz-Vorschriften entstehen? Ist Theater für nur eine Person die Lösung? Welche Rolle spielt die Musik? Wie ist der Dialog mit dem Publikum möglich?
Wie vielfältig die Ausdrucksformen des Figuren- und Objekttheaters sein können, erlebt man mit 30 Produktionen aus Tschechien, Slowenien, Frankreich, aus der Schweiz, Israel und Deutschland. Sie sorgen für Überraschungen im Stadtmuseum und in der Schauburg, im HochX, im Giesinger Bahnhof und in der Pasinger Fabrik, auf Straßen und in Innenhöfen. Mit Figuren und Objekten werden Perspektiven auf den Kopf gestellt, bekannte Märchen neu erzählt, und Licht, Papier und Schatten verwandeln sich in die Protagonisten großer Abenteuer. Die weltgrößte schwarze Kasperline Punch Agathe (Gütesiegel Kultur) zieht alle Blicke auf sich, egal wo sie sitzt, steht oder geht. Das Publikum darf sich auf Erfahrungen zwischen den Welten in „Traversées“ (Théâtre de l’Entrouvert) gefasst machen, auf eine ebenso sanfte wie eindringliche Mutter-Tochter-Geschichte mit Musik in „Aeterna“ (Théâtre de Mouve-ment), auf das unverzichtbare „Lobbüro“ (flunker produktionen) oder das ganz normale Leben, wie in „queer Papa queer“ (Puppentheater Ute Kahmann), „Martha“ (Kulturbühne Spagat) oder „Paula und die Leichtigkeit des Seins“ (Theater Mummpitz).
Es gibt mit „Weil heute mein Geburtstag ist ...“ (United Puppets) Theater im digitalen Raum, aus Wachs in „WAX-en“ (Laia Ribera Cañénguez & Rafi Martin) oder Papier in „Millefeuilles“ (Cie Areski). Historische, lang verschollene Figuren bevölkern den Krimi-Totentanz „Strings up!“ (Figurentheater Tübingen), während Liselotte Bothes Papiertheaterfestival im Bürgerpark Oberföhring beweist, wie dramatisch es auch auf klitzekleinen Bühnen zugeht.
Alle Infos: www.wunderpunktfestival.de