Und seine Freundin Marie betrügt ihn in aller Öffentlichkeit mit dem Tambourmajor.
Woyzeck brennt an beiden Enden. Er will sein Leben in den Griff kriegen. Aber sein Leben gehört ihm nicht. Seine Natur soll er zu unterdrücken lernen, sagt der Doktor. Ein guter Mensch soll er werden, sagt der Hauptmann. Marie fordert Geld für den gemeinsamen Sohn. Jeder zerrt und reißt an ihm, bis es Woyzeck schließlich selbst zerreißt.
Mit seinem furiosen „Woyzeck“ setzte Georg Büchner nichts weniger als „die Welt in Feuer“, wie es im Text eine der Figuren sagt. Gleich einem Fiebertraum folgen die Szenen schlaglichtartig Woyzecks Leben, Momentaufnahme steht neben Momentaufnahme. Erklärungen liefert Büchner kaum, er zeigt Fragmente eines erschütterten Lebens in einer Gesellschaft, in der gleichsam alle Nervenbahnen offen liegen - in einer expressiven Sprache, die in ihrer Eindrücklichkeit noch heute alleinsteht.
Auf Grundlage einer Fassung, die neben allen überlieferten Szenen auch die Varianten des Fragment gebliebenen Dramas in Betracht zieht, stehen der Text und seine herausragende Sprache am Ausgangspunkt der Inszenierung von Schauspieldirektor Enrico Lübbe: Die Atmosphäre ungeheurer Fiebrigkeit, der enorme Stress, den Büchner den Figuren gegeben hat, die lauernde Panik, die alles antreibt. Und gleichzeitig hat Büchner eine atemberaubende Gnadenlosigkeit und Kälte und Einsamkeit in diesem Text eingefangen, die gipfelt im berühmten „Märchen der Großmutter“. „Woyzeck“ zeigt eine Gesellschaft, die komplett unter Strom steht, und diffuse Angst ist ein großer Motor dabei. Annähernd jede dieser Figuren könnte jederzeit zum Amoklauf ansetzen. Woyzeck ist nicht allein. Er ist einer unter vielen.
Schauspieldirektor Enrico Lübbe, der kürzlich mit seiner aufsehenerregenden Gastinszenierung „Rose Bernd“ am Münchner Residenztheater das Feuilleton überraschte, eröffnet mit „Woyzeck“ die Schauspielsaison 2010/2011.
Die Bühne zu „Woyzeck“ entwirft, nach seinem hochgelobten Raum zu Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“, erneut Henrik Ahr, der im Herbst die Professur für Bühnengestaltung am Salzburger Mozarteum übernimmt.
Die Kostüme stammen von Bianca Deigner, die bereits Kostüme für Inszenierungen von Enrico Lübbe an den Staatstheatern Stuttgart und Nürnberg entwickelte und nun erstmals am Schauspiel Chemnitz arbeitet.
Die Titelrolle spielt Wenzel Banneyer. In weiteren zentralen Rollen sind zu sehen Julia Berke als Marie, Michael Pempelforth als Hauptmann und Karl Sebastian Liebich als Doktor sowie Ellen Hellwig als Großmutter, die mit dieser Rolle nach 41 Jahren am Schauspiel Leipzig ins Festengagement an das Schauspiel Chemnitz wechselt.
Regie: Enrico Lübbe
Bühne: Henrik Ahr
Kostüme: Bianca Deigner
Mit: Wenzel Banneyer (Woyzeck), Julia Berke (Marie), Daniela Keckeis (Margreth), Yves Hinrichs (Andres), Michael Pempelforth (Hauptmann), Karl Sebastian Liebich (Doktor), Dirk Lange (Tambourmajor), Ellen Hellwig (Großmutter)