Bach spricht hier vor allem als Beauftragter übergeordneter Mächte, die die musikalische Entwicklung weitgehend beherrschen. Hans-Christoph Rademann gelang es in eindrucksvoller Weise, die schöpferische Intuition zu betonen und die melodische Linie eindringlich in den Mittelpunkt zu stellen. So stach der Zauber alter Polyphonie in dem weiträumigen Kirchenschiff immer wieder hervor - und die thematischen Verbindungslinien waren so in ganz besonderer Weise nachvollziehbar.
Dabei strahlte die Doppelfuge des Eingangschors bei der Kantate BWV 69.1 in heller und transparenter Weise auf. Der einfühlsame Tenor Richard Resch ließ seine Arie "Meine Seele, auf, erzähle" zu dezenter Holzbläser-Begleitung in bewegender Weise erklingen. In der zweiten Bass-Arie gestaltete Tobias Berndt die chromatischen Linien facettenreich beim Thema Leiden und Freuden. Und auch Miriam Feuersinger (Sopran) und Marie Henriette Reinhold (Alt) interpretierten ihre Rezitative mit starker innerer Bewegungskraft.
Schwierige und souverän gemeisterte Intervalle der Trompete beherrschten vor allem den Klangzauber der zweiten Kantate "Du sollst Gott, deinen Herren" lieben" BWV 77, wo die von Miriam Feuersinger filigran interpretierte Sopran-Arie "Mein Gott, ich liebe dich von Herzen" mit Oboenbegleitung und markanten Terzenparallelen überzeugte. Und die Kanon-Form der Choralmelodie prägte sich bei dieser ausdrucksvollen Wiedergabe tief ein. In der letzten Alt-Arie "Ach, es bleibt in meiner Liebe" fesselte der tragfähig gestaltete Rhythmus der Sarabande zu den nuancenreichen Trompeten-Klängen. Der erhaben und ergreifend musizierte Schlusschoral imponierte hier als vierstimmiger Satz auf Luthers Weise "Ach Gott, vom Himmel sieh darein". Die Barocktrompete eröffnete hier auch einen Blick von großer Schönheit auf die göttliche Welt.
Der Dresdner Pfarrer Justus Geilhufe von "VISION.BACH Impuls" sprach über die schwierige Situation in Ost-Deutschland. Er sei als Kind in einer Gesellschaft groß geworden, in der Gott nicht mehr verehrt wurde. Und so lebe er heute als Pfarrer in einer weitgehend atheistischen Gesellschaft.