Wie schnell ist der Zauber der ersten Tage verschwunden! Die Kaiserin ist noch nicht erwacht, da begibt sich ihr Gatte schon zum Jagdvergnügen. Die Färberin findet sich in einem Hausstand voller unnützer, sie plagender Verwandter wieder, während ihr Mann seiner Arbeitswut frönt oder sich ein Gläschen gönnt. Kein Wunder, dass sie frustriert und zickig ist. Beide Frauen sind kinderlos, wie sollten sie auch schwanger werden bei dieser Ausgangssituation! Aber diese Frage stellt sich so nicht in Guy Joostens Inszenierung von Richard Strauss Oper "Die Frau ohne Schatten".
Hugo von Hofmannsthal hat dieses Thema für das Libretto in eine symbolträchtige Märchenform eingebettet. Die Kaiserin und ihre Amme kommen aus dem Reich der Geisterwelt. Die Liebe hat sie in die Menschenwelt geführt. Der Kaiserin mangelt es an einem Schatten, Symbol ihrer Kinderlosigkeit. Erlangt sie ihn nicht binnen drei Tagen, muss sie zurück in ihre Welt, und ihr Ehemann erstarrt zu Stein. Es gilt einen Menschen zu finden, der ihr seinen Schatten abtritt. Die Amme macht die Gattin des Färbers Barak ausfindig und versucht sie mit Zaubergaukeleien zu überreden, ihren Schatten an die Kaiserin abzutreten. Als die Färberin in einem Anfall von Reue ihrem Mann gesteht, dass sie ihren Schatten verkauft hat, greift dieser zu Gewalt. Die Kaiserin sieht ein, wie rücksichtslos ihr Verlangen ist und verzichtet auf den Schatten. Erst durch ihr Mitgefühl wird sie wirklich menschlich und erlangt auf diese Weise den ersehnten Schatten.
Zwei Männer, die sich in das Jagdvergnügen bzw. die Arbeit stürzen, ihre Frauen nicht mehr richtig wahrnehmen. Die Kaiserin reagiert ruhig verhalten, die Färberin zetert lautstark den lieben langen Tag. Zwei Paare, die sich entfremdet haben. Wie sie sich wieder näherkommen, wie sie durch die Krise an Reife und Einsicht gewinnen, das ist das eigentliche Thema der Oper. Und die Amme fungiert als die böse Fee.
Guy Joostens Interpretation beruht auf den Gegensätzen zwischen beiden Paaren. Eine große Treppe nimmt prominent die Drehbühne ein. Oben wohnen der Kaiser und die Kaiserin in einem reduzierten Ambiente. Unter der Treppe, die Wände üppig mit buntgefärbten Tüchern ausgekleidet, der Färber Barak und seine Frau. Auf die Entstehungszeit des Stückes während des ersten Weltkrieges verweist Joosten durch die Häuserruinen, aus denen Drähte der Stahlgerüste ragen. Und zwischendurch tauchen Geisterwesen mit blutigen Gesichtern oder Gewändern auf. Eigentlich ist das überflüssig, da es für den Verlauf der Oper keinerlei Bedeutung hat. Die Stärke der Inszenierung liegt in der Herausarbeitung der Paarbeziehungen. Das zieht sich selbst in die Orchesterzwischenspiele hin, die sehr berührend sind.
Gegen Linda Watson, die die frustrierte, zickige Färberin kraftvoll gibt, aber auch zu leiseren Tönen fähig ist, haben naturgemäß die andern Darsteller einen schweren Stand. Morenike Fadayomi interpretiert die Kaiserin sehr zurückgenommen und bleibt daher etwas blässlich. Corby Welch als Kaiser würzt seine Eifersucht mit einer Prise Ratlosigkeit, was seiner Rolle nur zu gut bekommt. Ebenfalls überzeugend ist Franz Grundheber als Barak. Der einzige, der einen Namen trägt, zeigt sich verständnis- und liebevoll. Renée Morloc gibt die Amme als Vamp. Zuletzt euphorischer Beifall für einen insgesamt überzeugenden Abend
Inszenierung: Guy Joosten
Bühne und Kostüme: Johannes Leiacker
Licht: Manfred Voss
Dramaturgie: Luc Joosten
Chorleitung: Gerhard Michalski
Musikalische Leitung: Axel Kober
Kaiser: Corby Welch
Kaiserin: Morenike Fadayomi
Amme: Renée Morloc
Barak: Franz Grundheber
Färberin: Linda Watson
Der Einäugige: Bruno Balmelli
Der Einarmige: Alexander Vassiliev
Der Bucklige: Florian Simson
Geisterbote: James Bobby
Hüter der Schwelle: Heidi Elisabeth Meier
Jüngling: Ovidiu Purcel
Erscheinung des Jünglings: Gregor Hildebrand
Falke: Jessica Stavros
Erscheinung des Falken: Guido Reinhold
Stimme von oben: Sarah Ferede
Geister- / Kinderstimmen: Annika Kaschenz, Maria Kataeva
Geister- / Kinderstimmen/ Dienerinnen: Aïsha Tümmler, Heidi Elisabeth Meier
Geister-/ Kinderstimmen/ Dienerinnen: Sarah Ferede
Geisterstimme: Franziska Orendi
Chor: Chor der Deutschen Oper am Rhein
Orchester: Düsseldorfer Symphoniker