Seine Rollen sind Legion. Held auf dem Schlachtfeld der Leichtgläubigkeit. Lebendiger Geist, der Starres aufmischt und zwanghaft Grenzen übertritt. Seine Weisheit: Spann dein Seil! Liebster Aufenthaltsort: Jenseits kleinbürgerlicher Moral und staatsgewaltiger Maßregeln (und darum insgeheim beneidet von Bürger und Machtmensch). Motti: Muße statt Maloche. Allzeit fluchtbereit. Schau, dass du stets als Letzter lachst. (Mit ihm lacht, wer ihm nicht zum Opfer fiel…)
Der Volksbuch-Ur-Till (~1510): Gewiefter Bauernsohn, der sich als Lonesome Rider von Beschiss zu Beschiss, Land & Leute spiegelnd, durchs frühbürgerliche (Über-)Leben kämpft. Klabunds Eulenspiegel Bracke (1918): Reflektierter Narr mit Hang zum Übersinnlichen, zu Damen und den "Ehrlosen", der sich an seinem Herrscher festbeißt.
Im "Viel-Lärm-um-Nichts-Zirkus" der Zeiten gelandet: Spiegelnd selbstverständlich auch das Heute.
Wobei: würde einer wie "Seiltänzer" Till in unserer engmaschigen, nischenarmen Gesellschaft
auch nur ein Bein auf den Boden kriegen – außer draußen vor der Tür oder drinnen in der Klapse?
Wer ist Till Eulenspiegel? Im Laufe der Jahrhunderte sind immer wieder Antworten gesucht und gefunden worden. Man bezeichnete Till als Narren und sah in ihm den Dummen und den Törichten, den Schelmen und den Hanswurst, mden gemeinen Spötter, doch auch den reinen Tor. Einige klassifizierten ihn als Skeptiker und Zyniker, andere als Wahrheitsfanatiker und Zeitkritiker. Man ernannte ihn zum Erzieher und zum sozialen Aufrührer und bisweilen sah man in dem Helden des Volksbuches sogar den Weisen. Manches Mal hat ein liebevoll umgehängtes Mäntelchen den wahren Charakter Tills verdeckt, der sich schillernd und vielseitig im Volksbuch offenbart. […] Till war ein Schalk in jeder Hinsicht, "sowohl ein grober, arglistiger Betrüger, als auch eine Person,
welche andere durch ein unschuldig erscheinendes Betragen nur im Scherze zu hintergehen suchte."
Wolfgang Lindow: Der Narr und sein Publikum, 1971
Text: Margrit Carls
mit
Judith Bopp | Denis Fink | Sebastian Kalhammer | Sven Schöcker
Live-Musik: Marcus Tronsberg
Regie: Andreas Seyferth
Regieassistenz: Astrid Polak
Raum: Aylin Kaip
Kostüm: Johannes Schrödl
Licht: Jo Hübner