Ihr blieben Einsamkeit und Alkohol - der Dank des Vaterlandes. Sie hatte Japan vor amerikanischen Kanonenkugeln gerettet. Am Ende flogen Okichi nur noch die Fetzen um die Ohren. Deshalb stellt Bertolt Brecht in seinem Stück die bange Frage: Was bloß macht die Heldin nach der Heldentat?
Man hatte gedacht, Brechts Werk sei bis auf die letzte Seite auch im Theater durchdekliniert. Aber da wäre noch "Die Judtih von Shimoda", die Geschichte einer Heldin aus dem Volk, auf die er im finnischen Exil stieß. Der japanische Dramatiker Yamamoto Yuzo hatte ihr ein Stück gewidmet, und Brecht hat es zusammen mit der finnischen Schriftstellerin Hella Wuolijoki bearbeitet: Rahmenhandlung, fünf Szenen, den Rest in einer konservierenden Übersetzung.
Eine Brecht-Uraufführung! Aber die Zeiten der Brecht-Uraufführungen liegen weit zurück, und jetzt ist keine Ära für Lehrstücke mehr. Was gibt es noch zu erklären oder zu durchschauen? Die Frechheit der Klarheit hat begonnen. Ein Brecht-Theater für heute kann nicht mehr nur das System dahinter zeigen, es geht um die Illusionen und das Leiden davor. Die Geisha ist zwar einerseits ein Beispiel, andererseits und vor allem aber eine Frau mit einem Schicksal, mit Mut, mit Illusionen, konfrontiert mit dem ganzen Katzenjammer unseres Lebens. Der Rest vom klassischen Brecht: der Kommentar, die möglicherweise hilflose Geste des Aufklärens.
Helmut Schödel
Zum Inhalt
Der japanische Politiker Akimura lässt für seine westlichen Besucher die ersten Szenen eines Stückes über die historische Heldentat der Geisha Okichi aufführen. Doch die Gäste geben sich nicht mit der Erklärung zufrieden, die Heldin habe einfach ihre Tat vollbracht und sei danach wieder in der Masse verschwunden. Szene für Szene fordern sie, dass die Handlung fortgesetzt und die Wahrheit über Okichis gesamtes Schicksal gezeigt wird:
Mitte des 19. Jahrhunderts versucht die USA, Japan den Freihandel aufzuzwingen. Weil das Gesetz Kontakte der Bevölkerung mit Ausländern verbietet, hat der amerikanische Konsul Schwierigkeiten, Dienstpersonal zu rekrutieren. Nachdem ihm die japanischen Behörden dabei nicht behilflich sind und auch kein Vertrag mit dem Kaiser zustande kommt, droht er mit dem Angriff auf Japan durch Kriegsschiffe. Daraufhin verpflichtet die Verwaltung von Shimoda die Geisha Okichi, dem Konsul "zu Diensten" zu sein. In der entscheidenden Nacht vor dem Angriff rettet Okichi ihre Heimatstadt, indem sie dem kranken Konsul Milch verschafft und ihn dadurch so beschwichtigt, dass er die schon beschlossene Beschießung aufgibt. Obwohl Okichi Shimoda gerettet hat, wird sie vom Staat fallen gelassen, da das japanische Gesetz verbietet, Kuhmilch zu melken und zu trinken. Die Verachtung ihrer Landsleute gegen eine "Ausländerhure" lassen sie zum Alkohol greifen, ihre Ehe geht in die Brüche und sie verarmt zusehends. Jahre später ist aus ihrer Tat ein Mythos geworden: Ein Straßensänger lobt eine reine, heldenhafte Okichi, die es so nie gab.
Die Judith von Shimoda - der Titel bezieht sich auf die biblische Geschichte von Judith und Holofernes - ist ein bisher noch weitgehend unentdecktes Stück, an dem Brecht 1940/41 mit der finnischen Schriftstellerin Hella Wuolijoki arbeitete. Die Grundlage des Stückes war ein 1930 veröffentlichtes Drama des japanischen Autors Yamamoto Yuzo (1887 - 1974), in dem die historisch belegte Geschichte der japanischen Sängerin und Geisha Okichi erzählt wird. In Brechts Nachlass fanden sich nur fünf von elf geplanten Szenen der Bearbeitung, doch der Nachlass von Hella Wuolijoki enthielt eine finnische Gesamtfassung des Stückes, aus der Hans Peter Neureuter eine Spielfassung rekonstruierte.
Regie
Heribert Sasse
Bühnenbild und Kostüme
Amra Bergman
Musik
Michael F. Kienzl
Okichi
Mavie Hörbiger
Akimura, japanischer Zeitungskönig und Politiker
Peter Moucka
Clive, englischer Orientalist
Friedrich Schwardtmann
Ray, amerikanische Journalistin
Elfriede Schüsseleder
Kito, japanischer Dichter
Mario Hellinger
Der Regisseur des Stücks
Heribert Sasse
Townsend Harris, Generalkonsul der USA
Peter Kern
Henry Heusken, sein Dolmetscher und Privatsekretär
Paul Matic
Inoue Shinano-no-Kami, Mitglied des Magistrats
Alexander Strömer
Makamura Deva-no-Kami, Mitglied des Magistrats
Hans Wolfgang Pemmer
Wakana Miosaburo, Polizeioffizier
Thomas Groß
Matsumura Chushiro, Polizeioffizier
Martin Oberhauser
Saito, Polizeibeamter, später Exzellenz
Heinz Trixner
Fürst Isa
Wolfgang Klivana
Tsurumatsu, Okichis Verlobter
Erich Altenkopf
Omoto, Okichis Schwester
Franziska Singer
Ofuku, Okichis Freundin
Silvia Meisterle
Ein Teehausbesitzer
Wolfgang Klivana
Oshimo, eine Kundin Okichis
Sarah Wimmer
Osai, Tsurumatsus Geliebte
Eva Mayer
Erster Stadtverordneter
Paul Matic
Zweiter Stadtverordneter
Alexander Strömer
Kamekichi, weitläufiger Verwandter Okichis
Wolfgang Klivana
Kamekichis Begleiterin
Eva Mayer
Ein Straßensänger
Erich Altenkopf
in weiteren Rollen
Eva Mayer
Franziska Singer
Sarah Wimmer
Thomas Groß
Emanuel Kastner
Kevin Leppek
Martin Oberhauser
Hans Wolfgang Pemmer