Hier schrieb man Hocharabisch, Hebräisch und Lateinisch, die Menschen sprachen Arabisch-Andalusisch, Romanisch-Kastilisch und verschiedene jiddische Dialekte. Über einen relativ langen Zeitraum gelang tatsächlich eine einigermaßen friedliche Koexistenz von Moslems, Christen und Juden, die den entscheidenden Nährboden für die Verbreitung arabischer Philosophie und Wissenschaft und ihrer griechischantiken Quellen in Europa bildete. Dennoch vergaßen die spanischen Ritter nie ihr Ziel: die Reconquista, die Wiedereroberung der ganzen iberischen Halbinsel und die Vertreibung der andalusischen Mauren. Vor diesem Hintergrund
spielt die Geschichte der Jüdin von Toledo.
Inhalt des Romans
Alfonso VIII. von Kastilien will Spanien vereinen und die Moslems besiegen. Ein Krieg kostet Geld, also braucht er Jehuda Ibn Esra, den mächtigsten Finanzier Spaniens. Dieser steht im Dienst des Emirs im maurischen Sevilla, aber sein Geburtshaus ist in Toledo, wo Alfonso herrscht. Geschickt locken er und seine Frau Leonor Jehuda mit der Rückgabe seines Hauses und dem Versprechen, dass er und seine Kinder ihren jüdischen Glauben bei ihm offen leben dürfen. Jehuda entpuppt sich als zäher Partner, der zwar große Geldsummen in Alfonsos Kriegskasse spült, gleichzeitig aber mit den anderen spanischen Fürsten und Königen ein so feines Netz von Beziehungen spinnt, dass der Frieden immer stabiler wird. Da verliebt sich Alfonso in Raquel, Jehudas wunderschöne Tochter. Aufwendig lässt er das maurische Lustschloss La Galiana umbauen und zieht sich jahrelang mit ihr dorthin zurück, während das ganze Abendland zum Kreuzzug auf Jerusalem bläst. Unermüdlich weitet Jehuda den Handel
mit dem moslemischen Andalusien aus und erhält so den Frieden. Aber die christlichen Ritter wollen Krieg. Von Eifersucht zerfressen, treibt Königin Leonor ihren Mann Alfonso in eine verfrühte Schlacht gegen eine maurische Übermacht. Gedemütigt und dezimiert müssen die Kastilier den Rückzug antreten. Bald macht das Gerücht die Runde, die Juden hätten den Moslems die christlichen Kriegspläne verraten. Mit interpretierbaren Andeutungen lenkt Leonor den aufgebrachten
Mob in die Galiana, wo Raquel mit ihrem Vater die Rückkehr des Königs erwartet …
Šagors Dramatisierung
So bühnengerecht der Stoff des Romans anmutet, so „undramatisch“ liest sich Feuchtwangers Prosa. Daher musste Kristo Šagor einen eigenen Ansatz suchen, um aus dem Roman ein echtes Drama zu formen. Neben der Verdichtung der Handlung, die er nicht linear betreibt, sondern entschieden einige Stränge ganz entfernt, um anderen den nötigen Raum zu geben und den Zuschauer nicht mit Informationen zu überfrachten, ist das deutlichste Merkmal der sprachliche Ansatz. Šagor lässt Alfonso, Leonor und deren Mutter Ellinor, die christlichen Figuren, die eine kriegerische Zukunft gestalten werden, Prosa sprechen. Die christlichen Figuren, deren Einfluss abnehmen wird, sowie die jüdischen und moslemischen Figuren sprechen in metrisch verschiedenen Blankversen. An inhaltlich bedeutsamen Stellen legt er allen Figuren kurze Erzählpassagen´von Feuchtwangers Originaltext in dem Mund, mal um die Handlung voranzutreiben, mal um genau das Gegenteil zu erreichen. Durch geschickte Parallelhandlungen und Verschachtelungen schafft es Šagor eine enorm bühnenwirksame
Geschichte zu erzählen, die gleichzeitig die emotionale Tiefe des Romans ausstrahlt.
Zur Inszenierung
Regisseur Alexander Schilling, der zum ersten Mal an der Landesbühne inszeniert, arbeitet in seiner Umsetzung mit sehr spielerischen Mitteln. Jede zunächst einleuchtende konzeptionelle Idee überprüft er sofort auf ihren szenischen Gehalt und entdeckt so – bei aller Vorbereitung – das Stück gemeinsam mit den Schauspielern. Und er nimmt Grundaussagen des Textes wörtlich und setzt sie dann genauso ungeschminkt um, wie er sie liest. So war zum Beispiel seine Wuppertaler „Iphigenie“ ein wüstes Kriegsspiel – im Text ist fortwährend von Krieg, Mord und Totschlag die Rede, also spielt das Stück im Krieg. Bei Feuchtwanger ist die Rede von saufenden, singenden Rittern, die mit Lust in die Schlacht ziehen, also werden die Kriegsvorbereitungen wie die beste Party aller Zeiten inszeniert. Wenn sich dann der Zuschauer dabei ertappt, dass er der verführerischen Anziehung des Kriegerischen erliegt, ist das Ziel erreicht, das Bild des edlen Ritters, der für Gott und Vaterland in einen gerechten Krieg
zieht, endgültig ins Reich der Märchen und Sagen zu verbannen.
Peter Hilton Fliegel
Regie Alexander Schilling
Bühne & Kostüme Diana Pähler
Dramaturgie Peter Hilton Fliegel
Regieassistentin Athena Schreiber
Souffleuse Vera Ducci
Inspizient Björn de Groot
Jehuda Ibn Esra Thomas Hary
Rechja / Doña Raquel Anna Rausch
Alfonso Cino Djavid
Doña Leonor Aida-Ira El-Eslambouly
Musa Ibn Da’ ud Joachim Kwasny
Manrique de Lara Axel Julius Fündeling
Don Rodrigue Johannes Simons
Don Martin Sebastian Moske
Belardo Christian Simon
Ellinor Julia Blechinger
Spieltermine im Stadttheater Wilhelmshaven:
Mi., 09.05.2012 / 20.00 Uhr
Mi., 16.05.2012 / 20.00 Uhr
Fr., 01.06.2012 / 20.00 Uhr
Sa., 09.06.2012 / 20.00 Uhr
Spieltermine im Spielgebiet
Fr., 11.05.2012 / 20.00 Uhr / Neues Theater Emden
Sa., 12.05.2012 / 19.30 Uhr / Karl-Bruns-Realschule Weener
Di., 15.05.2012 / 19.30 Uhr / Theodor-Thomas-Halle Esens
Mi., 23.05.2012 / 19.30 Uhr / Stadthalle Aurich
Do., 24.05.2012 / 20.00 Uhr / Aula Brandenburger Str. Wittmund
Fr., 25.05.2012 / 20.00 Uhr / Theater am Dannhalm Jever
Mi., 30.05.2012 / 19.30 Uhr / Theater an der Blinke Leer
Di., 05.06.2012 / 19.30 Uhr / Kurtheater Norderney
Do., 14.06.2012 / 20.00 Uhr / Theatersaal Norden