Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Uraufführung: "Beautyland" - Eine Groteske von Bianca Hein - Städtische Theater ChemnitzUraufführung: "Beautyland" - Eine Groteske von Bianca Hein - Städtische...Uraufführung:...

Uraufführung: "Beautyland" - Eine Groteske von Bianca Hein - Städtische Theater Chemnitz

Premiere: 16. März 2018, 20.00 Uhr im Schauspielhaus Chemnitz, Ostflügel

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land? Ihr, meine Königin, seid die Schönste im ganzen Land. Doch Schneewittchen hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen ist tausendmal schöner als Ihr! Und genau da liegt das Problem! Es gibt immer jemanden, der schöner, dünner, größer, fitter, klüger, dynamischer, kreativer und angesagter ist. Das ist nicht nur im Märchen ein Problem, sondern ebenso in der Realität, wenn diese vom Wettbewerb um (ökonomische) Vorteile geprägt ist.

 

Dann nämlich greift eine individualistische Neiddebatte zu kurz für das Erkennen der tatsächlichen gesellschaftlichen Widersprüche und möglicher Resistenz.

In der Tradition der deutschen Klassik hatte sich die Meinung durchgesetzt, dass das Schöne zugleich das Gute ist, nicht umsonst machte Schiller aus seinem bösartigen Sohn Franz eine hässliche, verwachsene Gestalt – nicht schön, also auch nicht gut. Wie sieht es heute damit aus? Gilt immer noch: schön = gut? Was ist überhaupt schön? Wer dominiert (warum) die entsprechenden Diskurse? Und ist man diesen blindlings unterworfen? Haben wir überhaupt noch ein Bild von uns selbst oder ist es durchsetzt von medial stimulierten Idealen? Gelten da für Frauen andere Gesetze als für Männer? Oder beugt die Bewusstseinsindustrie alle unter das gleiche Joch. Der Rhythmus, bei dem man mit muss: Arme hoch, Beine breit. Rauf aufs Laufband und laufen, laufen, laufen bis zur totalen Selbstoptimierung. – Vorsicht, keine Chance, Schneewittchen ist sowieso immer die Beste.

In einer performativen Erkundungsreise fokussiert Autorin und Regisseurin Bianca Hein nicht nur die Schönheitsindustrie, vielmehr benutzt sie diese als Ausgangspunkt, genereller über gesellschaftliche Normen und den entsprechenden Normierungsdruck nachzudenken. Den Abend bestreiten vier junge Spieler/innen, deren Figuren sich anfangs durch die eigenen Ansprüche im privaten, im Arbeitsleben oder bei einem Bundeswehreinsatz in Afghanistan in existentiell bedrohliche Situationen bringen. Die sich ergebenden Dilemmata werden mit schauspielerischen, performativen und teilweise improvisatorischen Mitteln abstrahiert und diskutiert – Themen wie Konsumismus, Pornografie und die Werbeindustrie streifend. Am Ende kehren die Figuren in ihre Geschichten zurück und stellen fest, dass dagegen und verwoben sein manchmal ein und dasselbe ist. Im Laufe des Abends werden gelegentlich die Zuschauer ins Spiel einbezogen. Erklärtes Ziel der Regisseurin Bianca Hein ist es, eine Authentizität im Raum zu generieren, die nur im je neu erlebten Augenblick zu haben ist und deren Folge ein Erlebnis für alle ist.

Bianca Hein (Regie und Text)
wurde in Gelsenkirchen geboren und ist in Bad Laasphe im Siegerland aufgewachsen. Sie studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft in Marburg, später Freie Kunst/Visuelle Kommunikation in Hamburg. Anschließend arbeitete sie in der Freien Szene, fürs Radio, tourte mit experimentellen Bandprojekten durch Europa und lehrte die Kampfkünste Kung Fu sowie Tai Yi. Mit Anna Vila (Barcelona) entwickelte sie während ihres Engagements am Nordharzer Städtebundtheater (2014 bis 2016) in der Klaussynagoge Halberstadt ein Tanzstück über das Schicksal zweier jüdischer Mädchen während des Holocaust. Seit der Spielzeit 2016/2017 ist sie als Regieassistentin am Schauspiel Chemnitz engagiert und gibt mit „Beautyland“ ihr Debüt als Autorin und Regisseurin.

Regie und Text: Bianca Hein
Bühne und Kostüme: Michael Haller

Mit: Seraina Leuenberger, Lauretta van de Merwe*, Jannik Rodenwaldt*, Konstantin Weber
* Schauspielstudio Chemnitz

Die nächsten Vorstellungen sind am 24. März, 6. und 14. April 2018, jeweils 20.00 Uhr.

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 17 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

GLUT UND FEUER -- Jubiläumskonzert 40 Jahre Kammersinfonie im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

1984 wurde dieser für die Region so bedeutende Klangkörper von Peter Wallinger gegründet. Unter der inspirierenden Leitung von Peter Wallinger (der unter anderem bei Sergiu Celibidache studierte)…

Von: ALEXANDER WALTHER

EINE FAST HYPNOTISCHE STIMMUNG -- Gastspiel "Familie" von Milo Rau mit dem NT Gent im Schauspielhaus STUTTGART

Dieses Stück erzielte bei Kritikern zum einen große Zustimmung, zum anderen schroffe Ablehnung. Vor allem die nihilistischen Tendenzen wurden getadelt. Der Schweizer Milo Rau hat hier das beklemmende…

Von: ALEXANDER WALTHER

MIT LEIDENSCHAFTLICHEM ÜBERSCHWANG -- Richard Wagners "Walküre" mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra konzertant im Festspielhaus/BADEN-BADEN

Wagner hatte die Komposition der "Walküre" im Sommer 1854 begonnen, noch vor der Vollendung der "Rheingold"-Partitur. Der Dirigent Yannick Nezet-Seguin begreift mit dem vorzüglich disponierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUFSTAND DER UNTERDRÜCKTEN -- "Farm der Tiere von George Orwell im Schauspielhaus Stuttgart

"Kein Tier in England ist frei!" So lautet das seltsame Motto von George Orwells "Farm der Tiere", die wie "1984" auch irgendwie eine seltsame Zukunftsvision ist. Die Tiere wie Hunde, Hühner, Schafe…

Von: ALEXANDER WALTHER

VERWIRRUNG BIS ZUM SCHLUSS -- "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano im Theater Atelier Stuttgart

Eine geschickt verwobene und raffinierte Handlung präsentiert Vladislav Grakovski in seiner Inszenierung des Kriminalstücks "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano. Spannung, Humor und…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑