Dann nämlich greift eine individualistische Neiddebatte zu kurz für das Erkennen der tatsächlichen gesellschaftlichen Widersprüche und möglicher Resistenz.
In der Tradition der deutschen Klassik hatte sich die Meinung durchgesetzt, dass das Schöne zugleich das Gute ist, nicht umsonst machte Schiller aus seinem bösartigen Sohn Franz eine hässliche, verwachsene Gestalt – nicht schön, also auch nicht gut. Wie sieht es heute damit aus? Gilt immer noch: schön = gut? Was ist überhaupt schön? Wer dominiert (warum) die entsprechenden Diskurse? Und ist man diesen blindlings unterworfen? Haben wir überhaupt noch ein Bild von uns selbst oder ist es durchsetzt von medial stimulierten Idealen? Gelten da für Frauen andere Gesetze als für Männer? Oder beugt die Bewusstseinsindustrie alle unter das gleiche Joch. Der Rhythmus, bei dem man mit muss: Arme hoch, Beine breit. Rauf aufs Laufband und laufen, laufen, laufen bis zur totalen Selbstoptimierung. – Vorsicht, keine Chance, Schneewittchen ist sowieso immer die Beste.
In einer performativen Erkundungsreise fokussiert Autorin und Regisseurin Bianca Hein nicht nur die Schönheitsindustrie, vielmehr benutzt sie diese als Ausgangspunkt, genereller über gesellschaftliche Normen und den entsprechenden Normierungsdruck nachzudenken. Den Abend bestreiten vier junge Spieler/innen, deren Figuren sich anfangs durch die eigenen Ansprüche im privaten, im Arbeitsleben oder bei einem Bundeswehreinsatz in Afghanistan in existentiell bedrohliche Situationen bringen. Die sich ergebenden Dilemmata werden mit schauspielerischen, performativen und teilweise improvisatorischen Mitteln abstrahiert und diskutiert – Themen wie Konsumismus, Pornografie und die Werbeindustrie streifend. Am Ende kehren die Figuren in ihre Geschichten zurück und stellen fest, dass dagegen und verwoben sein manchmal ein und dasselbe ist. Im Laufe des Abends werden gelegentlich die Zuschauer ins Spiel einbezogen. Erklärtes Ziel der Regisseurin Bianca Hein ist es, eine Authentizität im Raum zu generieren, die nur im je neu erlebten Augenblick zu haben ist und deren Folge ein Erlebnis für alle ist.
Bianca Hein (Regie und Text)
wurde in Gelsenkirchen geboren und ist in Bad Laasphe im Siegerland aufgewachsen. Sie studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft in Marburg, später Freie Kunst/Visuelle Kommunikation in Hamburg. Anschließend arbeitete sie in der Freien Szene, fürs Radio, tourte mit experimentellen Bandprojekten durch Europa und lehrte die Kampfkünste Kung Fu sowie Tai Yi. Mit Anna Vila (Barcelona) entwickelte sie während ihres Engagements am Nordharzer Städtebundtheater (2014 bis 2016) in der Klaussynagoge Halberstadt ein Tanzstück über das Schicksal zweier jüdischer Mädchen während des Holocaust. Seit der Spielzeit 2016/2017 ist sie als Regieassistentin am Schauspiel Chemnitz engagiert und gibt mit „Beautyland“ ihr Debüt als Autorin und Regisseurin.
Regie und Text: Bianca Hein
Bühne und Kostüme: Michael Haller
Mit: Seraina Leuenberger, Lauretta van de Merwe*, Jannik Rodenwaldt*, Konstantin Weber
* Schauspielstudio Chemnitz
Die nächsten Vorstellungen sind am 24. März, 6. und 14. April 2018, jeweils 20.00 Uhr.