Der hochbegabte norwegische Pianist Leif Ove Andsnes war dann der Solist im Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 in d-Moll op. 30 von Sergej Rachmaninow. Dieses Werk steht dem zweiten Konzert an Wert nicht nach. Es wurde übrigens mit Rachmaninow selbst als Klaviersolisten und Gustav Mahler als Dirigent uraufgeführt. Das Konzert begann mit einem einfühlsam interpretierten, schlichten russischen Volkslied. Es besann sich in einem Seitengedanken auf ungeahnte rhythmische Kräfte, die Leif Ove Andsnes in bewegender Weise beschwor. Ein nicht sehr kontrastreicher Gedanke folgte dann als zweites Thema. Die Durchführung schlug hier genau so viel Funken wie der Solopart. In gefühlvollen, geradezu elegischen Träumen wog sich das Adagio-Intermezzo, dessen Melodien alle sanft abwärts gleiteten. Kerniger und robuster war dann wieder das grandios interpretierte Finale. Die russisch getönten Themen beschwor der Pianist Leif Ove Andsnes mit mitreissender Schwungkraft, die nie nachließ. Und die pathetische Hymne vor dem Schluss-Presto wurde mit wahrhaft leidenschaftlichem Überschwang ausgekostet. Schwebend leicht wirkte sein Tastenanschlag! Er ist zwar kein Tasten-Donnerer wie Horowitz, doch sein Spiel ist viel präziser. Sinnliche Harmonierückungen und peitschende Rhythmen schufen atemlose Spannung. Als Zugabe interpretierte er noch ein feuriges Stück aus den "Etudes-Tableaux" von Sergej Rachmaninow.
Zum Abschluss war dann die selten gespielte Sinfonie Nr. 3 in c-Moll op. 44 von Sergej Prokofjew aus dem Jahre 1928 zu hören. Der kühne Experimentierwillen Prokofjews blitzte bei dieser feurig-elektrisierenden Wiedergabe unter Juraj Valcuha voll auf. Der erste Moderato-Satz wurde in seiner freien Sonatenform bis hin zum optimistisch-energischen Abschluss gut durchleuchtet. Und der riesige Klangblock des Anfangs mit dem Harmoniewechsel rhythmischer Violinfiguren wirkte spannend. Hörner und Violinen stimmten das scharf geprägte erste Thema markant an. Über unwillig raunender Begleitung entwickelte sich eine überraschend romantische Atmosphäre. Trotz formaler Lockerung wurde der dramatische Verlauf des Satzes deutlich. Auch der Dreiton-Aufstieg des Themas trat sehr klar hervor. Und die Seitengedanken zeigten vor allem beim zweiten Thema Kontur, das nach ernster Entwicklung als ruhiger Geigengesang über schaffenhafter Bratschenbegleitung einsetzte. In seine breite Entfaltung drangen Energien des ersten Komplexes, die dann konsequent den durchführungsartigen Mittelteil eröffneten. Die erstaunliche rhythmische Kraft offenbarte sich vor allem bei der eindrucksvollen Wiederkehr des ersten Themas beim schneidigen Motiv der tiefen Bläser. Nach dem elementaren Ausbruch gestalteten die Musiker die reizvolle Coda mit Akribie, wo sich von den Flöten her das erste Thema zart abzeichnete. Das zweite Thema in den Geigen wirkte ausgesprochen bewegend. Der Streicher-Rhythmus löste sich hier irisierend auf. Im dunklen Klang der tiefen gedämpften Streicher zeigte sich dann im Andante das wehmütig-schwebende Thema. Es war akustisch besonders reizvoll, als die Flöten die Schatten des Bratschen-Webens aufhellten. Im Mittelteil betörte der Klang der Solovioline die Hörer. Nach diesem Abgesang folgte ein leidenschaftlich gejagtes Scherzo als Allegro agitato. Dynamische Klanggegensätze wurden hier packend herausgearbeitet. Die geteilten Streicher beschworen unheimliche Glissando-Effekte. Im trio-artigen Mittelteil zeigten die Holzbläser eine pastorale Idylle. Wieder kam es zur energischen Ballung des gesamten Orchesters. Eine hervorragende Leistung des SWR Symphonieorchesters. Der umsichtige Dirigent Juraj Valcuha legte beim Finale durchaus Wert auf die romantischen Akzente - besonders die Andante-Episode besaß Energie und Leidenschaft. Das pathetische Kopfthema eröffnete den Reigen der weiteren Themen, wo besonders ein schroff gezacktes hervorragte. Die fallende Tendenz des zweiten Themas wurde durch Blechbläser-Einsätze angereichert. Und auch die fallenden Bildungen der Holzbläser blieben stark in Erinnerung. An Tschaikowsky gemahnte die berührende Melodie der Streicher.
Begeisterter Schlussapplaus, "Bravo"-Rufe. Als "Nach(t)musik" interpretierten Leif Ove Andsnes (Klavier) sowie Christian Ostertag (1. Violine), Michael Dinnebier (2. Violine), Raphael Sachs (Viola) und Christoph Heesch (Violoncello) den dritten Moderato-Satz aus dem Klavierquintett Nr. 2 in es-Moll op. 26 des ungarischen Komponisten Ernst von Dohnanyi. Die Tonsprache der national gefärbten Spätromantik trat voll hervor. Klangraffinement kokettierte sogar mit Brahms-Anklängen.