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Uraufführung: "Beate Uwe Uwe" Selfie Klick - Eine europäische Groteske - Städtische Theater Chemnitz

Premiere: 2. November 2016, 20.00 Uhr im Schauspielhaus Chemnitz / Ostflügel. -----

Ja, man hat ihn sich verdient, diesen Welthauptstrand Europa. Möwen, Wellen, Sonne, Sonnencreme, Katzen, Rennrad und eine sonnengebräunte Haltung. Ahhh. Beate Uwe Uwe Selfie Klick. Ach herrje, was wollen die denn hier? Was soll man dazu sagen? Zum sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund? Das hat doch schon das Erste, das Zweite, die Süddeutsche, der Verfassungsschutz und dann gibt es noch diesen Prozess in München.

Die Debatten erschlagen sich gegenseitig und die Fokussierung auf Beate Zschäpe kleistert alles zu. Lässt sich da noch ein roter Faden eigener Erkenntnis spinnen? Werden dem Ikarus der Wahrheit gar die Federn geschreddert? Und wo haben sich die Opfer versteckt?

Fünf Figuren treten in Laura Linnenbaums Inszenierung an, um sich zum NSU zu verhalten. Dafür greifen sie allgegenwärtige Diskurse um den Münchner NSU-Prozess auf. (Beate Zschäpe als Opfer? Drei-Täter-Theorie? NSU-Unterstützernetzwerk? Rolle des Verfassungsschutzes? Linke Propaganda gegen rechte?) Überfordert von der Vielzahl der Narrationen, ziehen sie sich an einen utopischen Strand zurück, endlich allein mit sich und der Welt. Von dort aus wehren sie alles Störende und Fremde der überaus komplexen Welt ab, bis sie sich in die Neue Rechte verwandelt haben. Sie übernehmen dabei Sprach-, Diskurs- und Verhaltensmuster, die bisher der Linken vorbehalten waren, wie z. B. jenes Thema um die Gleichberechtigung von Frauen, und provozieren.

Die Autorin Gerhild Steinbuch und die Regisseurin Laura Linnenbaum waren aufgefordert, für das Theatertreffen „Unentdeckte Nachbarn“ (1. bis 11. November 2016) ein Theaterstück über die NSU-Aufarbeitung zu entwickeln, das vor allem die wenig diskutierten Opferpositionen und

die Frage nach den Netzwerken bzw. Unterstützern des NSU u. a. in Sachsen und Thüringen thematisiert. Im Sommer 2016 schrieb Gerhild Steinbuch an der Textvorlage. Sie verband das Thema NSU mit den aktuellen heftigen Diskussionen um die Migrationspolitik in Deutschland und dem europaweiten Erstarken der sogenannten Neuen Rechten. Steinbuch widersetzt sich der Sprachvernutzung durch die Identitäre Bewegung und dekonstruiert deren Strategien in durchaus unterhaltsamen Sprachspielen. Regisseurin Laura Linnenbaum kombiniert für ihre groteske Inszenierung Steinbuchschen Text mit dokumentarischem Material. Die Regisseurin fokussiert auf das Verdrängen von Opferperspektive und Netzwerkdiskussion, auf den Versuch, die Neue Rechte zu verstehen, verschafft dem Streitobjekt Sprache Geltung sowie der Überforderung vieler Menschen durch die Masse an Informationen inklusive der Gefährdungen, welche sich aus kurzschlüssigen Antworten auf komplexe Fragen ergeben. Dies alles geht sie gemeinsam mit ihrem Team aus Schauspielern und Puppenspielern mit Mitteln der Performance, des Puppen- und Objekttheaters sowie des Schauspiels an.

Laura Linnenbaum (Regie), Jahrgang 1986, studierte Regie an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main. Seit 2011 inszeniert sie freischaffend sowie als Stipendiatin und Regieassistentin des Schauspiels Frankfurt, wo u. a. die Stücke „Schlafes Bruder“ (eingeladen zum Körber Studio Regie) und „Eine Teufeliade“ (Hessische Theatertage) entstanden. Für die Inszenierung „Silent Noise – Ein Projekt über Sylvia Plath“ wurde sie 2015 in der Fachzeitschrift „Theater heute“ als beste Nachwuchskünstlerin nominiert. In der Spielzeit

2016/2017 wird sie neben ihrer Arbeit am Figurentheater Chemnitz u. a. am Staatsschauspiel Dresden und am Schauspiel Frankfurt tätig sein. Darüber hinaus ist sie Künstlerische Leiterin des Theatertreffens „Unentdeckte Nachbarn“.

Das Theatertreffen „Unentdeckte Nachbarn“

Fünf Jahre nach der Aufdeckung des Nationalsozialistischen Untergrunds sind nach wie vor viele Fragen offen: Wie konnten die Täter unerkannt unter uns leben? Welche Bedingungen im südwestsächsischen Raum begünstigten das Untertauchen des Trios und dessen jahrelange Aktivitäten im Untergrund? Wie verschaffen wir uns Klarheit über die Rolle staatlicher Stellen bei den Ermittlungspannen? Und wie kann der Opfer gedacht werden?

Bundesweit haben sich Theater diese Fragen gestellt und die aktuelle Debatte um rechten Terror, aber auch um Migration und Flucht aufgegriffen. Das Theatertreffen „Unentdeckte Nachbarn“, das vom 1. bis 11. November 2016 in Chemnitz und Zwickau sowie weiteren Städten zu dem Thema stattfindet, präsentiert verschiedene Inszenierungen, welche die kaum sichtbare Perspektive der Betroffenen des NSU in den Vordergrund stellen. Aber auch Perspektiven, die den Umgang von Staat und Zivilgesellschaft mit den Taten thematisieren.

Ein umfangreiches Begleitprogramm mit Ausstellungen, Installationen, einer Schulkooperation zwischen Hamburg, Chemnitz und Zwickau sowie zahlreiche Diskussionsveranstaltungen öffnet den Raum für die Frage: Wie gestalten wir unsere zunehmend diverse Gesellschaft?

Ein Netzwerkprojekt des ASA-FF e.V. in Kooperation mit Grass Lifter, Kulturbüro Sachsen, Theater Chemnitz, Theater Plauen Zwickau und Weiterdenken / Heinrich Böll Stiftung Sachsen

www.unentdeckte-nachbarn.de

Produktion des Figurentheaters Chemnitz in Kooperation mit dem Schauspiel Chemnitz

Mit Unterstützung von ASA-FF e.V. und der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen

Regie: Laura Linnenbaum

Bühne und Kostüme: Valentin Baumeister

Puppen und Objekte: Angela Baumgart

Es spielen: Magda Decker, Michel Diercks, Tobias Eisenkrämer, Felix Schiller, Gerlinde Tschersich

03.11.2016

Donnerstag

11:00 Uhr

10.11.2016

Donnerstag

20:00 Uhr

01.12.2016

Donnerstag

18:00 Uhr

02.12.2016

Freitag

20:00 Uhr

17.01.2017

Dienstag

20:00 Uhr

21.01.2017

Samstag

20:00 Uhr

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