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Uraufführung: BARTLEBY ODER SICHERHEIT IST EIN GEFÜHL, Schauspielhaus GrazUraufführung: BARTLEBY ODER SICHERHEIT IST EIN GEFÜHL, Schauspielhaus GrazUraufführung: BARTLEBY...

Uraufführung: BARTLEBY ODER SICHERHEIT IST EIN GEFÜHL, Schauspielhaus Graz

10. Mai 2012 um 20 Uhr, Probebühne. -----

Nach der Auseinandersetzung mit dem Thema Glaubwürdigkeit in Der Fall Dorfrichter Adam (Spielzeit 2010/2011; eingeladen zum renommierten Dramatikerfestival Heidelberger Stückemarkt) entwickelt Regisseur Boris Nikitin sein zweites Projekt auf der Probebühne, diesmal geht es um persönliche Freiheit.

Ausgehend von Herman Melvilles gleichnamiger Erzählung spürt Nikitin dieses Mal den Themenkreisen Freiheit und Sicherheit nach. Bartleby, ein rätselhafter junger Mann, ist Kopist in einer Anwaltskanzlei. Zunächst fällt er noch durch stillen schweigsamen Fleiß und höfliche Zurückhaltung auf, beginnt dann, kompromisslos seiner innersten Überzeugung folgend, sich weder für noch gegen einen angebotenen Lebensentwurf zu entscheiden. Er entscheidet sich für überhaupt nichts, nicht einmal fürs Essen, mit der Folge, dass er verhungert. Damit wird er zum Bild der größtmöglichen Erfüllung von Freiheit und ihrer Perversion zugleich. „Ich möchte lieber nicht“, heißt die Formel, mit der er freundlich und sanft sich das Weltbild aller erschüttert, die ihm begegnen.

 

„Sagt jemand, dass man etwas muss, dann ist das immer ein guter Hinweis dafür, dass sich da eine Norm dahinter versteckt. Unter Freiheit verstehe ich unter anderem, diese Normen zu erkennen, mit ihnen zu spielen, möglicherweise ihnen zu widerstehen. Theater ist für mich interessant als Versuchsmaschine für Handlungs- und Denkoptionen. Und Theater selbst ist eine Handlungs- und Denkoption.“ (Boris Nikitin)

 

Bedeutet persönliche Freiheit nicht zu müssen? Sich zu verweigern? Aber wem soll man sich verweigern oder was kann man überhaupt noch verweigern wenn Anderssein und Scheitern bereits vom kapitalistischen Räderwerk einverleibt worden sind, die ‚Occupy-Ästhetik‘ diverse Werbespots definiert, Scheitern zur coolen Pose und das Suchen nach anderen Lebensmodellen selbst zum Mainstream geworden sind?

 

In Zusammenarbeit mit dem ebenfalls aus dem Gießener Institut für angewandte Theaterwissenschaft stammenden Ausstatter Matthias Meppelink, der Schauspielerin Katharina Klar und dem Musiker und Schauspieler Lorenz Kabas (Theater im Bahnhof) arbeitet Boris Nikitin an einem theatralen Essay über verschiedene Spielarten der Verweigerung und deren Ambivalenzen. In den Abend einfließen werden aktuelle gesellschaftliche Diskurse, aber auch biographische Geschichten der beteiligten Akteure ebenso wie ein Stück Literatur: Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit dem Thema ist Herman Melvilles berühmter Satz „I would prefer not to.“

 

Zum Regisseur

Boris Nikitin arbeitete 2001/2002 am Prater der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin als Regieassistent von René Pollesch, Rimini Protokoll und She She Pop und studierte anschließend Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen, wo er das internationale Festival diskurs organisierte. Dort entwickelte er verschiedene szenische Projekte, wie quality time 2007 gemeinsam mit dem Regisseur Jan Ritsema und die Performance Neverland zusammen mit Marcel Schwald. 2007 entstand die Performance Woyzeck, mit der er beim Festival 100° in Berlin den 1. Preis der Jury gewann. Die Hörspielfassung wurde im August 2010 auf DeutschlandRadioKultur ausgestrahlt. Seine Diplominszenierung F wie Fälschung (nach Orson Welles) war im Mousontourm in Frankfurt am Main, am Theater Neumarkt in Zürich und beim Festival bestOFF Styria 2010 in Graz zu sehen. Woyzeck und F wie Fälschung wurden 2009 zum renommierten Festival IMPULSE als 2 von 10 herausragenden freien Theaterproduktionen eingeladen. F wie Fälschung wurde dort mit dem Dietmar N. Schmidt-Preis für eine besondere künstlerische Leistung ausgezeichnet.

 

Im September 2009 hatte Imitation of Life, eine Koproduktion zwischen der Kaserne Basel und dem HAU Berlin, in Basel Premiere und war danach u.a. am Theaterhaus Gessnerallee in Zürich, beim Festival AUAWIRLEBEN in Bern und am Mousonturm in Frankfurt am Main zu sehen.

2010 hat er als einer von 20 Künstlern ein Statement zum HAU-Projekt X-Schulen beitragen. 2011 erarbeitete Boris Nikitin am Theater Freiburg das Projekt Diese Kinder sind in Ordnung und am HAU Berlin Das Grundgesetz. Am Schauspielhaus Graz inszenierte er in der Spielzeit 2010/2011 Der Fall Dorfrichter Adam.

 

Inszenierung & Konzept Boris Niktin

Bühne, Kostüme & Konzept Matthias Meppelink

Dramaturgie Regula Schröter

 

Mit Lorenz Kabas, Katharina Klar

 

Weitere Vorstellungen am 19. und 19. Mai sowie 6. und 16. Mai, jeweils 20 Uhr, Probebühne.

 

Tickets

T 0316 8000, F 0316 8008-1565 - E tickets@buehnen-graz.com

I www.schauspielhaus-graz.com

 

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