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Die Familie feiert den Geburtstag des Familienpatriarchen Baron Joachim von Essenbeck, Generaldirektor der Essenbecker Stahlwerke. Da platzt die Nachricht vom Reichstagsbrand mitten in die Feierlichkeiten. Der Schuldige, ein Kommunist aus Holland, sei schon verhaftet, so erfährt es die Gesellschaft von Joachims Cousin, dem Hauptsturmführer Wolf von Aschenbach. Joachim von Essenbeck fühlt sich durch die Ereignisse zu einer Entscheidung gezwungen, die er aus Skepsis gegenüber den Nazis bisher vermieden hat: »In all den Jahren hatte ich, wie ihr wisst, nur ein einziges Ziel … die Einheit und das Ansehen der Firma aufrecht zu erhalten. Darum habe ich immer danach gestrebt, unsere Produkte und die Struktur unseres Werkes den Umständen anzupassen.« Er will sich zum Wohle der Firma der herrschenden Politik andienen und einen Mann zum stellvertretenden Generaldirektor machen, der dem Regime wohlgesonnen ist, seinen Sohn Konstantin, einen strammen SA- Mann.
Hauptsturmführer Aschenbach indes hat einen anderen Kandidaten im Sinn, den er im Sinne seiner Partei an die Konzernspitze bringen möchte: Friedrich von Bruckmann, einen großen Sympathisanten der NSDAP. Bisher war er einer der Direktoren, der sich aus eigener Kraft hochgearbeitet hat. Er ist der Geliebte von Sophie von Essenbeck, der Witwe des im ersten Weltkrieg gefallenen Sohnes des Firmenchefs. Auch sie möchte ihren Friedrich die Karriereleiter hinaufbefördern. Sie stachelt ihn an, mit allen Mitteln und mit der Unterstützung Aschenbachs seine Chance zu nutzen, und wenn er dafür über Leichen gehen muss. Der Konzern hat im Bunde mit den Nationalsozialisten die Chance, ein Gigant zu werden.
Und dann geschieht ein Mord. Der alte Baron wird getötet. Sophies Sohn Martin erbt das Unternehmen. Nach dem Wunsch der Mutter ernennt der labile und exzentrische junge Mann daraufhin Friedrich Bruckmann zum Vorsitzenden. Aber Konstantin nimmt es nicht hin, so einfach ausgebotet worden zu werden, und Hauptsturmführer Aschenbach fördert Friedrich nur so lange, wie er ihn braucht. Der Kampf um die Macht im Familienunternehmen wird immer schmutziger, rücksichtloser und ist voller Intrigen – wie die Politik im Land.
Macht und Reichtum mit der Herstellung von Waffen
Hinter der fiktiven Dynastie der von Essenbecks steht die Geschichte der Familie Krupp, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Macht und Reichtum mit der Herstellung von Waffen erlangte und damit nicht nur die Kriegsgeschichte Deutschlands, sondern der ganzen Welt maßgeblich beeinflusste. Wie in der historischen Realität gehen auch im Theaterstück Großindustrie und Nationalsozialismus eine fatale Verbindung ein, in der jede Seite die andere für ihre Zwecke instrumentalisiert. Pate für diese Geschichte stand Shakespeares Königsdrama vom Aufstieg und Fall des »Macbeth«.
Theaterraum wird filmisch erweitert
Der Theaterfassung von Tom Blokdijk liegt ein besonderes Spielprinzip zugrunde: Fast alle Schauspieler verkörpern mehrere Figuren von annähernd gegensätzlichem Charakter – eine besondere Herausforderung für Schauspieler, Regie und Publikum und ein Versuch, begreiflich zu machen, wie schnell es möglich ist, sich in die eine oder die andere extreme Richtung zu entwickeln.
Regisseur Marc von Henning hat sich entschieden, mit Hilfe von vorproduzierten Videos und dem Einsatz einer Live-Kamera den Theaterraum zu erweitern, Nähe und Distanz zu erzählen und Perspektiven zu überlagern. Es entstehen magische Theatermomente und durch die Nähe und Unbestechlichkeit der Kamera ein tiefer Blick in den Seelen der Figuren.
Der deutsch-britische Regisseur Marc von Henning, bekannt für seine magisch-realistischen Inszenierungen, führt Regie und schätzt den Stoff wegen seiner Symbolkraft, die auf eine immer noch aktuelle Realität verweist. Marc von Henning (Regie) wurde 1960 in London geboren und wuchs dort sowie im Harz, Sambia und Düsseldorf auf. Mit seiner Theatergruppe »primitive science« realisierte er in den 90er Jahren in London an Strategien der Performancekunst angelehnte Inszenierungen mit selbst verfassten Texten, wofür die Gruppe mit dem »Time Out Critics’ Choice Award« ausgezeichnet wurde. Mit »primitive science« entwickelte er auch internationale Projekte, so entstand u. a. »Icarus Fallung« für die Expo 2000 in Hannover und »Invisible College« für die Salzburger Festspiele. Seit 2000 ist er im deutschsprachigen Raum als Autor und Regisseur tätig. Arbeiten führten ihn bisher u. a. ans Staatstheater Stuttgart, das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, das Schauspiel Frankfurt, das Schauspielhaus Graz, das Schauspiel Köln sowie das Nationaltheater Athen. 2008 gründete er mit Susanne Reifenrath die Theaterkompanie »Meyer&Kowski« in Hamburg. Außerdem ist er Dozent für Projektregie an der Theaterakademie der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg und unterrichtet am Hamburger Schauspiel-Studio Frese. Darüber hinaus ist er als Übersetzer tätig. Er übertrug u. a. Heiner Müller ins Englische. »Der Fall der Götter« ist Marc von Hennings erste Arbeit am Theater Heilbronn.
Der Fall der Götter
Nach dem Film »La caduta degli dei« (Die Verdammten) von Luchino Visconti
für die Bühne bearbeitet von Tom Blokdijk
Deutsch von Monika The
Regie: Marc von Henning
Bühnenbild: Marc von Henning/Karin von Kries
Kostüme: Gunna Meyer
Video: Johannes Buchholz
Dramaturgie: Dr. Mirjam Meuser
Es spielen:
Baron Joachim von Essenbeck/Friedrich Bruckmann: Nils Brück
Freifräulein Sophie von Essenbeck/Freifrau Elisabeth Thalmann: Stephanie Schönfeld
Baron Konstantin von Essenbeck/Herbert Thalmann: Hannes Rittig
Baron Günther von Essenbeck: Lucas Janson
Baron Martin von Essenbeck: Sven-Marcel Voss
Hauptsturmführer Wolf von Aschenbach: Pablo Guaneme Pinilla
Thilde Thalmann/Lisa: Aliyah Menger/Michelle Sanmartinean
Erzähler/Kamera: Gabriel Kemmether
Dienerin 1/Olga: Winnie Ricarda Bistram
Dienerin 2/Polizeikommissar/Polizeiinspektor/SS-Offizier 2/Rektorin: Judith Lilly Raab
Dienerin 3/SS-Offizier 1/Sekretär: Romy Klötzel
Polizist: Marc von Henning
Hochzeitsgäste: Anja Bothe, Winnie Ricarda Bistram, Sarah Finkel, Malin Kemper, Romy Klötzel, Judith Lilly Raab, Sabine Unger, Marek Egert, Stefan Eichberg, Oliver Firit, Sascha Kirschberger, Rouven Klischies, Frank Lienert-Mondanelli
Theaterfrühstück am 20. September um 11 Uhr im Oberen Foyer des Großen Hauses