Schnell sind sich alle einig: Das Kind kann nur von der Roma-Frau zurückgelassen worden sein, die sich kurz zuvor noch dort aufgehalten hatte. Doch wer ist diese Frau? – Sie ist Kroatin. Oder Rumänin. Oder Bulgarin. Ganz egal, aus dem Osten halt. Sie ist die Ausgebeutete, das Opfer, die Schmarotzerin, die Tapfere, die Heldin. Sie ist … ein Phantom.
Auf der Suche nach dieser Unbekannten beginnt das ‚Spiel’: Statt festgelegter Figuren sehen wir Spieler/-innen, die das Geschehen in verschiedenen Variationen ausspinnen und den vermeintlichen Werdegang der Frau nachzeichnen. Sie nennen sie Blanca, sie nehmen ihre Rolle an – und die Rollen derer, denen sie auf ihrem Weg begegnet –, um sie gleich darauf wieder abzugeben, weil jemand anderes eine bessere Idee hat, eine andere Vorstellung davon, was es mit der Fremden auf sich hat.
Kein Klischee bleibt unbedient bei dem Versuch, das „Wie könnte es gewesen sein?“ nachzuempfinden.
Nicht zuletzt sehen wir den Überlebenskampf einer mutigen jungen Frau in einem fremden Land, die nicht nur konfrontiert ist mit dem Druck, ihre Familie im Alleingang aus der Armut in ein besseres Leben zu führen, sondern auch mit zahlreichen Vorurteilen, die ihr wie Steine in den Weg gelegt werden und die alle signalisieren: Hier ist kein Platz für dich!
Mit Phantom (Ein Spiel) haben Lutz Hübner und Sarah Nemitz ein Stück geschrieben über die anderen, die ‚falschen’ Flüchtlinge, die osteuropäischen Zuwanderer, die Arbeitsmigranten aus Bulgarien und Rumänien. Die, denen man nun wirklich nicht auch noch helfen kann. Die, die sich selbst helfen müssen. Mehr noch aber ist es ein Stück über uns: über die deutsche Gesellschaft und deutsche Vorurteile.
Lutz Hübner ist einer der meistgespielten deutschen Gegenwartsautoren. Seine Stücke, meist entstanden in Zusammenarbeit mit Sarah Nemitz, wurden mehrfach ausgezeichnet, darunter mit Einladungen zum Berliner Theatertreffen und zu den Mülheimer Theatertagen.