Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Nachdenken über den TanzNachdenken über den TanzNachdenken über den Tanz

Nachdenken über den Tanz

"b.21" in der deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg

Copyright: Gert Weigelt

Serenade von George Balanchine, Alltag (Uraufführung) von Hans van Manen, Johannes Brahms - Symphonie Nr. 2 von Martin Schläpfer. -

Mit "Serenade" eröffnet der 21. Ballettabend unter der Ägide von Martin Schläpfer. 1934 entstanden und dann jahrelang weiterentwickelt, huldigt George Balanchine dem klassischen, romantischen Balletttanz. Großartige Formationen und Symmetrien, die duftige weiße Kleidung mit langen Tutus, dazu die Musik von Peter Tschaikowsky, alles das erinnert an die große Zeit des russischen Balletts, etwa von Schwanensee und Giselle. Eine durchgängige Handlung gibt es nicht, aber Balanchine hat kleine Szenen von Ballettproben eingepflegt, etwa das Zuspätkommen einer Tänzerin, das Stolpern und Hinfallen einer anderen. Es ist ein Rausch an Schönheit und Eleganz.

Im Kontrast dazu das mit "Alltag" betitelte Stück von Hans von Manen. Es meint nicht den Alltag von Hinz und Kunz, sondern den Alltag eines Choreographen. Und so sehen wir Martin Schläpfer, der in dieser Uraufführung die Hauptrolle tanzt, beim Denken zu, nehmen teil an einem kreativen Prozess, sehen wie ein Stück entsteht. In gebeugter Haltung sitzt der Choreograph auf einem Stuhl, entfernt an Rodins Denker erinnernd, springt auf, um einzelne Posen auszuprobieren in einer gehemmten Körperhaltung, die eben dieses Ausprobieren suggeriert. Er bricht ab, sitzt dann wieder nachdenkend auf dem Stuhl. Eine Tänzerin tritt von hinten auf, wie ein Gedanke, der plötzlich auftaucht. Sie stellt eine imaginierte Stücksequenz dar, die dann in einem getanzten Pas de deux mit Schläpfer Gestalt annimmt. Von einem andern Paar abgelöst, schlüpft Schläpfer in die Rolle des Beobachters, sieht zu wie seine Gedanken eine Form finden. Eine 15minütige Preziose des brillanten Hans von Manen.

Nach diesem Kammerstück greift Martin Schläpfer mit seinem Stück "Johannes Brahms - Symphonie Nr. 2" wieder auf die große Ensembleform zurück. Ebenso wie Balanchine setzt er sich mit den Ballettklassikern auseinander, auch seine Formationen sind architektonisch gebaut, er findet aber zu einem ganz anderen Vokabular. Es sind Assoziationen, die jenseits von romantischen Bildern entstehen. Es ist nicht nur Zauber und Sehnsucht, was musikalisch aufscheint. Schläpfer zeigt auch die Widersprüche, lässt auch dynamische Härte aufsteigen. Besonders eindrucksvoll das Solo von Marlúcia do Amaral zu Endes des Allegretto grazioso, das sich über das Ende der Musik hinauszieht, in nicht enden wollenden Pas de Bourées.

Wie stets wurde auch dieser grandiose Ballettabend euphorisch vom Publikum gefeiert.

SERENADE von George Balanchine © The George Balanchine Trust

MUSIK Serenade für Streicher C-Dur op. 48 von Peter I. Tschaikowsky

Choreographie: George Balanchine

Musikalische Leitung: Jochem Hochstenbach

Kostüme nach: Barbara Karinska

Choreographische Einstudierung: Patricia Neary

Licht: Thomas Diek

Tänzerinnen: Ann-Kathrin Adam, So-Yeon Kim, Julie Thirault, Sachika Abe, Doris Becker, Wun Sze Chan, Sabrina Delafield, Mariana Dias, Feline van Dijken, Sonia Dvorak, Nathalie Guth, Alexandra Inculet, Helen Clare Kinney, Anne Marchand, Louisa Rachedi, Aryanne Raymundo, Claudine Schoch, Virginia Segarra Vidal, Elisabeta Stanculescu, Irene Vaqueiro

Tänzer: Andriy Boyetskyy, Alexandre Simões, Filipe Frederico, Richard Jones, Alban Pinet, Friedrich Pohl

Orchester: Düsseldorfer Symphoniker

ALLTAG (Uraufführung) von Hans van Manen

MUSIK Adagio aus der Klaviersonate op. 1 Nr. 4 C-Dur von Manuel Blasco de Nebra sowie von Johann Sebastian Bach, Franz Schubert und Gustav Mahler

Choreographie: Hans van Manen

Bühne und Kostüm: Keso Dekker

Licht: Bert Dalhuysen

Tänzerinnen: Marlúcia do Amaral, Doris Becker

Tänzer: Martin Schläpfer, Alexandre Simões

JOHANNES BRAHMS – SYMPHONIE NR. 2 von Martin Schläpfer

MUSIK Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73 von Johannes Brahms

Choreographie: Martin Schläpfer

Musikalische Leitung: Jochem Hochstenbach

Bühne und Kostüme: Keso Dekker

Licht: Franz-Xaver Schaffer

Tänzerinnen: Sachika Abe, Ann-Kathrin Adam, Marlúcia do Amaral, Doris Becker, Wun Sze Chan, Mariana Dias, Feline van Dijken, Christine Jaroszewski, Yuko Kato, So-Yeon Kim, Anne Marchand, Louisa Rachedi, Claudine Schoch, Virginia Segarra Vidal, Irene Vaqueiro,

Tänzer:Andriy Boyetskyy, Paul Calderone, Jackson Carroll, Martin Chaix, Odsuren Dagva, Philip Handschin, Marquet K. Lee, Sonny Locsin, Marcos Menha, Chidozie Nzerem, Boris Randzio, Alexandre Simões

Premiere Freitag, 17. Oktober, um 19.30 Uhr, im Opernhaus Düsseldorf

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 21 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

Gebrochene Herzen -- "Die Märchen des Oscar Wilde erzählt im Zuchthaus zu Reading" nach Oscar Wilde von André Kaczmarczyk mit Musik von Matts Johan Leenders im Schauspielhaus Düsseldorf

Oscar Wilde war zu seinen Lebzeiten ein gerühmter Dramatiker und Dichter, bekannt auch wegen seiner vielen gewitzten Bonmots, die noch heute vielfach für Werbeanzeigen benutzt werden. Darüber hinaus…

Von: Dagmar Kurtz

BLICK IN DIE VERGANGENHEIT -- Neue CD: Giacomo Puccinis "Le Villi" bei BR Klassik

Die Uraufführung der Originalfassung von Giacomo Puccinis einaktiger Oper "Le Villi" am 31. Mai 1884 wurde ein großer Erfolg. Interessant ist bei diesem Frühwerk das Faible für den Tanz. Das Ergebnis…

Von: ALEXANDER WALTHER

DIE HIMMLISCHEN FREUDEN -- Teodor Currentzis und das Utopia Orchestra mit Brahms und Mahler im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle

Aktuell gastiert das von Teodor Currentzis gegründete Utopia Orchestra mit dem zweiten Klavierkonzert op. 19 von Johannes Brahms und der vierten Sinfonie in G-Dur von Gustav Mahler. So waren die…

Von: ALEXANDER WALTHER

ELEMENTARE AUSBRÜCHE -- Richard Wagners "Parsifal" in der Staatsoper STUTTGART

In der zerklüfteten Inszenierung von Calixto Bieito (Bühne: Susanne Geschwender; Kostüme: Merce Paloma) liegt die Apokalypse schon hinter uns, die Brücken sind eingestürzt, die Menschen kämpfen…

Von: ALEXANDER WALTHER

LEIDENSCHAFTLICHE STEIGERUNGEN -- SWR Symphonieorchester mit Jukka-Pekka Saraste im Beethovensaal der Liederhalle STUTTGART

Zwei höchst unterschiedliche Werke standen im Mittelpunkt dieses Konzerts mit dem SWR Symphonieorchester unter der inspirierenden Leitung des finnischen Dirigenten Jukka-Pekka Saraste. Zunächst…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑
StartseiteBeiträgeKritikenHintergründeTheatermacherServiceFachbegriffeSuche