Die von Physikern wie auch Astrologen eifrig diskutierte Frage der Parallelwelten finden gegenwärtig auf der Bühne der Düsseldorfer Oper ihre schlüssige Antwort. Während Kritiker die von Klaus Richter inszeniert und John Fiore dirigierte Don-Giovanni-Aufführung gleich mit dem Titelhelden in die Hölle schicken, lassen es sich die Freunde der Deutschen Oper am Rhein wohl sein. Das Haus ist stets ausverkauft.
Will man die Parallelwelten verstehen, in denen Kritiker und Zuschauer leben, so gibt es folgende mögliche Antworten: Theaterbesucher haben seit Handkes "Publikumsbeschimpfung" quer durch die Republik zahlreiche Entwicklungen und Experimente miterlebt und mitgetragen, dass sie nun unter sich die Botschaft Verbreiten: "Geh nach Düsseldorf, dort bist du Konsument, dort darfst du es sein." Richter stellt keine Ansprüche, verlangt nichts von seinen Gästen, befriedigt sein Mittelstand-Publikum mit Mittelmaß. Gleiches gilt für das Ensemble. Abweichungen nach oben bietet nur Corby Welch als Don Ottavio und Heikki Kilpeläinen in der Titelpartie nach unten, der sich an seiner Champagnerarie verschluckt. Maestro Fiores Anweisungen ans Orchester lauten durchgängig: Bitte keinen der Herrschaften in den Samtsesseln in Erregung versetzen. Was in der Musik steckt kann sich ja jeder zuhause auf seiner Lieblings-CD anhören.
Während der Kritiker die Stätte des Mittelmaßes mit Grauen flieht, so genießt der Mittelständler seine Kultur und applaudiert: Es waren ein paar schöne, ungestörte Stunden. Das volle Haus freut zweifelsfrei die Geschäftsführung der Oper, aber ob die Seele der Besucher in den Musikhimmel springt, wenn das Geld im Kasten klingt, muß sich erst noch weisen. Beim Alter der heutigen Opernbesucher wird die Zukunft verspielt, wenn man sich auf den schönen Augenblick konzentriert und den jungen Menschen nicht geistreich vermittelt, dass Mozart und Co. zu den seligen Momenten des Lebens gehören.
Besprochen ist die Aufführung von Don Giovanni in der Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorf, am 24. Okt. 2004 mit Kilpeläinen (Don Giovanni) , Grümbel (Komtur) , Safronova (Donna Anna) , Welch (Don Ottavio) , Wyn-Davis (Donna Elvira) , Stamboglis (Leporello) , Butter (Masetto) , Noack (Zerlina)
Dirigent: John Fiore
Inszenierung: Tobias Richter
Musikalische Leitung: John Fiore
Chor: Gerhard Michalski
Bühne: Gian Maurizio Fercioni
Kostüme: Gian Maurizio Fercioni