Der Text war Grundlage einer französischen und zweier italienischer Opern, bevor Ludwig van Beethoven seine Partitur für ein österreichisches Remake konzipierte. In der k. u. k.-Monarchie mussten alle Hinweise auf den revolutionären Kontext getilgt werden. Über den Stoff legte man die Schablone der guten königlichen Zentralgewalt, die die Machenschaften eines Intriganten vereitelt. Die emanzipatorischen Werte, für die der Gefangene Florestan schmachtet, wurden hinter religiöser Duldsamkeit camoufliert. Beethovens packende Musik freilich ist voll revolutionärer Dring-lichkeit. Und seit Sigmund Freud ist bekannt, dass das Zensierte und Verleugnete nicht einfach ver-schwindet: Als Abwesendes bleibt es anwesend.
Dieser Aspekt macht die Analyse gerade auch der gesprochenen Dialoge für die Regisseure Jossi Wieler und Sergio Morabito spannend. In ihrer Neuinszenierung verzichten sie auf den rezeptionsge-schichtlichen Reflex, diese einzustreichen oder zu ersetzen. Stattdessen entwickeln sie ihr Raum- und Regiekonzept im Ausgang von den gesprochenen Partien. Beethoven erarbeitete seine einzige Oper zwischen 1805 und 1814 in drei Anläufen. In Stuttgart wird sie in der Fassung letzter Hand gespielt.
Ludwig van Beethovens einzige Oper Fidelio ist die erste Neuproduktion der Oper Stuttgart in der Spielzeit 2015/16. Generalmusikdirektor Sylvain Cambreling übernimmt die musikalische Leitung; Jossi Wieler und Sergio Morabito führen Regie; Nina von Mechow zeichnet für die Kostüme verantwortlich, Lothar Baumgarte für die Beleuchtung. Der im Juli 2015 verstorbene Bert Neumann hat den Bühnenraum entworfen; Fidelio ist damit seine letzte umgesetzte Opernarbeit. Im Foyer I. Rang wird eine kleine Ausstellung an seine acht Stuttgarter Opernarbeiten erinnern. Das Produktionsteam von Fidelio hat gerade erst im Juli 2015 gemeinsam die erfolgreiche Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Rigoletto auf die Stuttgarter Opernbühne gebracht und erarbeitete hier zuvor den preisgekrönten Schönberg/Janáček-Doppelabend Die glückliche Hand/Schicksal (2011/12), Richard Wagners Tristan und Isolde (2013/14), Leoš Janáčeks Katja Kabanova (2009/10) sowie Fromental Halévys Die Jüdin (2007/08).
Der deutsch-kanadische Tenor Michael König übernimmt die Partie des Florestan, welche er erst jüngst am Teatro Real Madrid interpretierte. In diesem Jahr gastierte er zudem u.a. an der Semperoper Dresden als Max (Der Freischütz) und am Royal Opera House Covent Garden als Erik (Der fliegende Holländer). An seiner Seite interpretiert Rebecca von Lipinski aus dem Stuttgarter Solistenensemble die Partie der Leonore. Die britische Sopranistin begeisterte in Stuttgart zuletzt u.a. als Jenufa und Tatjana (Eugen Onegin). Auch alle weiteren Partien sind mit Ensemblemitgliedern der Oper Stuttgart besetzt: Als Rocco ist Kammersänger Roland Bracht zu erleben, der jüngst in der Neuproduktion von Rigoletto als Monterone beeindruckte. Ihre Rollendebüts als Marzelline und Jaquino geben Josefin Feiler, die nach zwei Jahren im Opernstudio nun zum Solistenensemble zählt, und Daniel Kluge, der 2014/15 u.a. in den Stuttgarter Neuproduktionen von Rigoletto (Borsa) und Chowanschtschina (Schreiber) zu erleben war. Michael Ebbecke singt Don Pizzaro; er wirkte an seinem Stammhaus zuletzt u.a. in Tosca (Scarpia), Madame Butterfly (Sharpless) und Der Rosenkavalier (Faninal) mit. Ronan Collett gibt sein Rollendebüt als Don Fernando. Der u.a. mit dem Trude Eipperle-Rieger-Preis 2014 ausgezeichnete Bariton verkörperte in Stuttgart zuletzt Guglielmo in der Neuproduktion von Così fan tutte.
Musikalische Leitung Sylvain Cambreling
Regie und Dramaturgie Jossi Wieler, Sergio Morabito
Bühne Bert Neumann
Kostüme Nina von Mechow
Licht Lothar Baumgarte
Chor Johannes Knecht
Don Fernando Ronan Collett
Don Pizarro Michael Ebbecke
Florestan Michael König
Leonore Rebecca von Lipinski
Rocco Roland Bracht
Marzelline Josefin Feiler
Jaquino Daniel Kluge
Staatsopernchor Stuttgart
Staatsorchester Stuttgart
Weitere Vorstellungen: 30. Oktober | 3. | 5. | 8. | 12. | 15. November 2015
Begleitveranstaltungen zu Fidelio
Öffentliche Probe
Samstag, 10. Oktober 2015, 9.45 – 11.30 Uhr, Opernhaus
Die Regisseure Jossi Wieler und Sergio Morabito geben Einblicke in die Probenarbeit.
Einführungsmatinee
Sonntag, 18. Oktober 2015, 11 Uhr im Opernhaus, Foyer I. Rang Das Produktionsteam gibt interessierten Opernbesuchern einen Einblick in die Konzeption der Neuin-szenierung.
Nach(t)gespräche Freitag, 30. Oktober 2015
Donnerstag, 5. November 2015
Donnerstag, 12. November 2015
Das Produktionsteam beantwortet im Anschluss an die Vorstellung Fragen der Zuschauer.
Einführung vor jeder Vorstellung Eine Einführung findet vor jeder Vorstellung jeweils 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn im Opernhaus, Foyer I. Rang statt.
Karten über www.oper-stuttgart.de, Kartentelefon: 0711. 20 20 90, und an der Abendkasse
Weitere Informationen zur Neuproduktion unter www.oper-stuttgart.de/fidelio