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Leben Gundlings"Friedrich von Preussen Lessings Schlaf Traum Schrei", Greuelmärchen von Heiner Müller, Theater Chemnitz

Premiere: 24. Oktober 2015, 19.30 Uhr im Schauspielhaus Chemnitz. -----

Die Szenenfolge führt vom königlichen Garten Friedrich Wilhelms I. in Potsdam über diverse Schlachtfelder ins Irrenhaus und schließlich auf einen amerikanischen Autofriedhof in Dakota. Zwischen den Autowracks begegnen wir schließlich Gotthold Ephraim Lessing, begleitet von seinen Titelfiguren Emilia und Nathan.

Als Lessing, zur Ikone stilisiert, in seine eigene Büste verwandelt wird, hört man aus der Bronze nur seinen dumpfen Schrei. Das Kuriositätenkabinett missbrauchter und zerstörter Beziehungen zwischen geistig-künstlerischer Intelligenz auf der einen, Staatsmacht und Gesellschaft auf der anderen Seite beginnt mit Jakob Paul Freiherr von Gundling, dem Zeitungsreferenten und Historiographen Friedrich Wilhelms I., der am Hof des „Soldatenkönigs“ zum tragikomischen Hofnarren herabsinkt, und führt über den sich selbst zerstörenden Heinrich von Kleist zum jungen Friedrich II., genannt der Große, der von seinem Vater mit bornierter Brutalität einer preußischen Erziehung unterworfen wird, die ihm alle Weichheit, Sensibilität und Menschenliebe austreibt.

 

Heiner Müller (1929-1995) hat sich in seinem Greuelmärchen zum Sprachrohr des geschundenen und gequälten Menschen gemacht. Im 1975/1976 entstandenen „Gundling“ versammeln sich demontierte und gefallene Größen, historische Monster und ihre Opfer. Es ist ein gewaltiger und archaischer Bilderbogen durch die deutsche Geschichte und ihre Risse, den Müller entwirft. Dabei geht es ihm nicht um historische Wahrheit, sondern um die Aufdeckung von Zusammenhängen, die bis in die Gegenwart reichen.

 

2015 jährt sich Heiner Müllers Todestag zum 20. Mal. Mit diesem sehr persönlichen Stück, wie er einmal schrieb, kommt er zurück auf die Chemnitzer Bühne. Es ist wieder Zeit für Müller! Für ihn hatte Schreiben immer etwas mit konkreten Lebensrealitäten zu tun und mit den Rissen, die durch die Gesellschaft und die Menschen gehen: „Die DDR ist mir wichtig, weil alle Trennlinien der Welt durch dieses Land gehen. Das ist der wirkliche Zustand der Welt, und der wird ganz konkret in der Berliner Mauer.“ Auch im 25. Jahr nach dem Fall der Mauer sind Risse spürbar, manche vielleicht verheilt, neue hinzugekommen. Was bleibt, ist eine Brüchigkeit in unserem Dasein, mit der wir uns zu beschäftigen haben.

 

Silke Johanna Fischer (Regie) arbeitete als Bürokauffrau, in der Altenpflege und in der niederschwelligen Drogenarbeit, bevor sie nach Berlin zog und Theaterwissenschaft, Germanistik, Philosophie und Isländisch an der Freien und an der Humboldt Universität studierte. Nebenher engagierte sie sich bei zahlreichen Bühnen und freien Projekten. 2010 bis 2013 arbeitete sie am Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau als Regieassistentin und inszenierte u. a. „Der Diener zweier Herren“, „Hamletmaschine“ und „In 80 Tagen um die Welt“ in einer eigenen Fassung nach Jules Verne. Von 2013 bis zum Sommer 2015 war sie als Regieassistentin am Schauspiel Chemnitz engagiert und inszenierte hier das Gewinnerstück des Chemnitzer Theaterpreises für junge Dramatik 2014 „Die Erben des Galilei“ von Martin Bauch sowie „Gegen die Liebe“ und „In Transit – Vom Ende der Kindheit“. Derzeit arbeitet sie als freischaffende Regisseurin und ist auch als Sound-Designerin, Schlagzeugerin, Sängerin, Videokünstlerin, Schauspielerin und Bühnenbildnerin tätig.

 

Stefan Morgenstern (Bühne und Kostüme) 1960 in Köln geboren, lebt und arbeitet in Stuttgart. Er studierte Architektur und arbeitet seit 1993 als freier Bühnen- und Kostümbildner vor allem für Tanztheater, aber auch für Opern- und Schauspielproduktionen u. a. an den Staatstheatern Stuttgart, Nürnberg, Saarbrücken und Mainz, dem Nationaltheater Mannheim, der Deutschen Oper Berlin, der Staatsoper, der Volksoper und dem Volkstheater Wien, dem Aalto-Theater Essen, den Landestheatern Klagenfurt, Eisenach, St. Pölten, Linz, Detmold und Esslingen, der Companie De Anima in Rio de Janeiro. Die Produktion „Die Winterreise“ mit Daniela Kurz und dem Tanztheater Nürnberg erhielt 2000 den Bayerischen Theaterpreis. Sein Bühnenbild zu Schumanns „Genoveva“ am Theater Zwickau wurde 2011 bei der Kritiker-Umfrage der Zeitschrift „Opernwelt“ in der Kategorie Bühnenbild/Ausstattung nominiert. Am Schauspiel Chemnitz entwarf er in der Spielzeit 2014/2015 Bühnen- und Kostümbild für Esteve Solers „Gegen die Liebe“.

 

Regie: Silke Johanna Fischer

Bühne und Kostüme: Stefan Morgenstern

 

Mit: Andreas Manz-Kozár, Dominik Förtsch, Philipp von Schön-Angerer, Marko Bullack, Magda Decker, Maria Schubert, Damen und Herren der Statisterie

 

 

 

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