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Landestheater Linz: DER ROSENKAVALIER von Richard Strauss

Premiere 19. Mai 2012 um 18.30 Uhr im Großen Haus. -----

„Weltende“ lautet der Titel jenes nur achtzeiligen, vielleicht bekanntesten expressionistischen Gedichtes von Jakob van Hoddis (1887 – 1942) aus dem Jahre 1911, mit dem die damals in Mitteleuropa kollektiv verbreitete Angst bzw. Erwartung vor einer drohenden Apokalypse exemplarisch eingefangen wurde:

„Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut / In allen Lüften hallt es wie Geschrei“, veranschaulicht der 1942 im Vernichtungslager Sohibor von den Nationalsozialisten ermordete Lyriker den damaligen „Zeitgeist“ und hätte dabei durchaus auch auf Richard Strauss als musikalischen Kronzeugen zurückgreifen können.

 

Hatte doch der mutigste Tondichter der Jahrhundertwende mit der Salome (1905) und der Elektra (1909) die biblische bzw. antike Vorlage gleichsam umgedeutet, um Lust und Sexualität bzw. Mord und Tod mit seismographischer Sensibilität als die zeitgenössischen „apokalyptischen Reiter“ der Moderne in seinen grandios-monströsen Opern-Tragödien auszumachen und dabei dem „Bürger“ den „alten Hut“ der Tonalität tüchtig vom Kopf geblasen …

 

Doch das Jahr 1911 entzweit van Hoddis und Strauss – zumindest vordergründig. „Zurück zu Mozart!“, lautet die Parole, unter der Strauss und sein kongenialer Opern-Dichter Hugo von Hofmannsthal in einer bewusst anachronistischen Entscheidung, inhaltlich und ästhetisch Halt im 18. Jahrhundert suchen: mit dem 1911 in Dresden uraufgeführten Rosenkavalier. Die imaginäre Zeitmaschine führt Komponist und Librettist zurück ins „goldene Zeitalter“ der Regentschaft Maria Theresias und bringt sie zu einer an Mozart-Sehnsucht ausgerichteten Tonsprache, die psychologische Wahrhaftigkeit mit der Schönheit vollendet bewusster Formbeherrschung zu verbinden weiß, wobei das „Walzerglück“ im Rosenkavalier allerdings schon Anklänge Mahlerscher Zerrissenheit aufweist.

 

Die Fabel ist von Hofmannsthal selbst prägnant auf den Punkt gebracht worden: „Ein dicker, älterer, anmaßender Freier (Baron Ochs auf Lerchenau) vom Vater (Herrn von Faninal) begünstigt, wird von einem jungen, hübschen (Octavian) ausgestochen“, ignoriert dabei allerdings das begehrte Objekt (Sophie von Faninal) und die zentrale Bühnenfigur: die Feldmarschallin, die Octavian gleichsam zum Liebhaber „ausbildet“ und die selbst in der „Schule des Lebens“ lernen muss, dass alles Leben und Lieben dem unbarmherzigen Gesetz der Zeit unterliegt …

 

Wie in einem Zeit-Spiegel begegnen sich dabei auch die Figuren. Die reife, nicht alte (!) Marschallin war einmal eine junge unschuldig-erwartungsvolle Sophie, die vielleicht einmal eine Marschallin werden wird, und in Octavian und dem Baron Ochs spiegeln sich ein aufblühender und ein schon verblühter Don Juan. Die Zeit wandelt aber nicht nur die Seelen, sondern auch die gesellschaftlichen Verhältnisse: Der adelige Ochs ist total verarmt, der „Kriegsgewinnler“ von Faninal darf sich als neuer Herr gerieren; nicht mehr der Stand sichert die Existenz, sondern das Kapital …

 

Und plötzlich scheint es, als ob die Zeitreise ins 18. Jahrhundert nur ein genialischer „Trick“ von Strauss und Hofmannsthal gewesen wäre, um das von van Hoddis prognostizierte „Weltende“ noch viel grundsätzlicher zu thematisieren: als das unvermeidliche Ende einer historischen Epoche und das schmerzliche des individuellen Daseins, sofern der Mensch nur dann sinn(en)erfüllt lebt, wenn er liebt …

Wolfgang Haendeler

 

Musikalische Leitung Dennis Russell Davies /

Takeshi Moriuchi

Inszenierung Anthony Pilavachi

Bühne und Kostüme Tatjana Ivschina

Kostüme Marie-Therese Cramer

Choreographie Guido Markowitz

Chorleitung Georg Leopold

Leitung des Kinder- und Jugendchors Ursula Wincor

Dramaturgie Wolfgang Haendeler

 

Die Feldmarschallin Fürstin Werdenberg Karen Robertson / Astrid Weber

Der Baron Ochs auf Lerchenau Dominik Nekel

Octavian, genannt Quinquin,

ein junger Herr aus großem Haus Katerina Hebelkova /

Valentina Kutzarova

Herr von Faninal, ein reicher Neugeadelter Stefan Heidemann

Sophie, seine Tochter Mari Moriya

Jungfer Marianne Leitmetzerin, die Duenna Cheryl Lichter

Valzacchi, ein italienischer Intrigant Matthäus Schmidlechner

Annina, seine sogenannte Nichte Christa Ratzenböck

Der Haushofmeister bei der Feldmarschallin Eugen Fillo / Csaba Grünfelder

Der Haushofmeister bei Faninal Eugen Fillo / Csaba Grünfelder

Ein Polizeikommissar Nikolai Galkin

Ein Notar Leopold Köppl

Ein Wirt / Ein Tierhändler Hans-Günther Müller

Ein Sänger, Allegorie der Zeit Pedro Velázquez Díaz /Jacques le Roux

Drei adelige Waisen Karin Behne / Mitsuyo Okamoto, Yoon Mi Kim-Ernst / Kateryna Lyashenko,

Jadviga Buddeus / Vaida Raginskyté

Eine adelige Witwe Matej Kubus

Eine Modistin Ulrike Weixelbaumer

Vier Lakaien der Marschallin Jochen Bohnen, Jang-Ik Byun, Seogmann Keum, Markus Schulz

Vier Kellner Jochen Bohnen, Siegfried Dietrich, Miguel Angel Santiago Sanpedro, Bonifacio Galván

Amor Magdalena Baehr / Marie-Therese Baehr / Victoria Nagler

Leopold Stefan Faschinger

Der Tod Gergely Dudas

 

Chor und Herren des Extrachors des Landestheaters Linz

Kinder- und Jugendchor des Landestheaters Linz

in Kooperation mit der OÖ Vokalakademie

Statisterie des Landestheaters Linz

 

Bruckner Orchester Linz

 

Weitere Termine 22. und 26. Mai 2012; 12. und 15. Juni 2012; jeweils 18.30 Uhr

 

 

 

 

 

 

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