Beethoven und Wagner, die musikalischen Titanen des 19. Jahrhunderts, empörten sich ebenso wie Kritiker-Papst Eduard Hanslick über das vermeintlich unwahrscheinliche und frivole Sujet: „Gibt es einen dürftigeren Stoff für eine ganze Oper?“, beschwerte sich Hanslick anlässlich der Wiener Aufführung im Jahre 1863 und schmähte da Pontes Libretto als „geistlos und impertinent“.
In der Tat wäre eine Oper, die gut drei Stunden um die Frage kreist, ob Frauen treu sein können, eine wahrlich ausgedehnte „Männerphantasie“. Aber die Fixierung der Così-Kritiker auf die „weibliche Unmoral“ verkennt, dass der „Diskurs“, den Mozart mit seinem virtuos ausdifferenzierten Personen-Sextett gestaltet, nicht so etwas Banalem wie der Treue gilt („Hat sie etwa, oder hat sie nicht …?“), sondern etwas weitaus Subtilerem: der Liebe.
Alles beginnt mit einer schnöden Wette. Weil die beiden von sich selbst überzeugten Jungmänner die Gefühle ihrer Angetrauten für unverbrüchlich halten, lassen sie sich, von Don Alfonso „verführt“, auf ein scheinbar absurdes Experiment ein. Nach tränenreichem Abschied von den Geliebten, die glauben, ihre Verlobten zögen in den Krieg, kehren Ferrando und Guglielmo verkleidet zurück, um als „schöne Fremde“ die Treue ihrer Frauen zu erproben und zu beweisen! Die Posse führt zunächst zu dem gewünschten Resultat – die „verwaisten“ Trauer-Heroinen verwehren sich gegen die Liebesschwüre der ungestümen „Exoten“ –, aber das einmal entdeckte „Was wäre wenn“-Gift wird den vier „Probanden“ in immer stärkeren Dosen ins Herz geträufelt, wobei Don Alfonso und Despina, die verwandlungsfähige Kammerzofe der jungen Damen, mephistophelisch Hand in Hand arbeiten … Und plötzlich schwankt der Felsen, mit dem Fiordiligi in der großen „Come scoglio“-Arie ihrer Treue ein unverrückbar` Denkmal setzen wollte …
Und dieses Schwanken, diese seismografischen Erschütterungen in den unterschiedlich laut und heftig schlagenden Herzen des Quartetts verwandeln das Werk im zweiten Akt von einer burlesken Buffa in eine abgründige Seria, kreieren das „dramma giocoso“, in dem aus einem (Männer-)Scherz ein „Drama“ erwächst, weil aus dem Zusammenbruch der Konvention (hier: „garantierte“ Treue durch den Status des Verlöbnisses) etwas Neues und bedrohlich Einzigartiges entsteht, das jede Rückkehr in den einst als schützend empfundenen sittlichen Rahmen zum Verrat an sich selber werden ließe: das individuelle Gefühl.
Libretto von Lorenzo da Ponte
Musikalische Leitung Ingo Ingensand/Daniel Linton-France
Inszenierung Andreas Baesler
Bühne Hartmut Schörghofer
Kostüme Corinna Crome
Chorleitung Georg Leopold
Choreinstudierung Takeshi Moriuchi
Dramaturgie Wolfgang Haendeler
Myung Joo Lee / Mari Moriya (Fiordiligi)
Katerina Hebelkova / Martha Hirschmann (Dorabella)
Iurie Ciobanu / Sven Hjörleifsson / Matthäus Schmidlechner (Ferrando)
Martin Achrainer / Seho Chang (Guglielmo)
Elisabeth Breuer / Gotho Griesmeier (Despina)
Ulf Bunde / Dominik Nekel (Don Alfonso)
Chor des Landestheaters Linz
Bruckner Orchester Linz