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"Homo faber" - Ein Bericht von Max Frisch - Städtische Theater Chemnitz

Premiere: 14. Oktober 2017, 19.30 Uhr im Schauspielhaus Chemnitz, große Bühne. -----

Ein Mann legt Zeugnis ab: Walter Faber, Ingenieur aus der Schweiz, trifft auf einem Flug nach Mexico City zufällig den Bruder seines früheren Freundes Joachim. Kurz entschlossen begleitet er ihn durch den wuchernden Dschungel Guatemalas zu Joachims Farm, wo sie den Freund nur noch tot auffinden.

Die Zufälle mehren sich. In deren Folge trennt sich Walter in New York von seiner Geliebten Ivy, lernt während einer Schiffspassage nach Europa unerkannt seine Tochter Elisabeth kennen, liebt sie zögerlich und macht sich unschuldig schuldig. Beide reisen gemeinsam nach Athen, wo Elisabeth ihre Mutter besuchen möchte und Walter inmitten einer Katastrophe der Frau seines Lebens wiederbegegnet. Die Spuren der Halbjüdin Hanna Piper, geborene Landsberg, hatten sich vor dem 2. Weltkrieg verloren. Beide erwarteten damals ein Kind.

 

Max Frischs Bericht, 1957 erschienen, ist einer der großen Würfe der Literatur des 20. Jahrhunderts. Mit sinnlicher wie präziser Sprache thematisiert Frisch (1911-1991) die zentrale Frage nach der Stellung des Menschen zwischen Chaos und Struktur, zwischen Natur und Zivilisation, zwischen Erlebnis und dem Versuch, das Erlebte mittels Sprache zu fassen. Sein Held Walter Faber ist mehr als gefährdet, sich einseitig einem Pol zuzuwenden. Als Techniker durch und durch hält er sich das unstrukturierte Leben vom Leib. Drei unterschiedliche Frauen sind es schließlich, die Begegnung mit einer jungen, neugierigen Generation, die Konfrontation mit der Vergangenheit und eine vergleichsweise zufällige Tragödie, die seine Weltsicht erschüttern. Am Ende möchte er, so wie einst Ödipus, ohne Augen das Richtige erkennen. Gierig greift er nach seinem einzigen Leben und schwelgt darin mit der Atemlosigkeit des schwer Erkrankten.

 

Regisseur Hasko Weber interessiert das Verhältnis, die Begegnung zweier Generationen. Einerseits erscheint Walter Faber als der moderne transnationale Ingenieur, heute dorthin geflogen, morgen da gearbeitet, derzeitiger Wohnort New York. In dessen abgeklärtem Verständnis sollte Technologie genutzt werden, um die großen Probleme dieser Welt wie Energie- und Wasserversorgung, Überbevölkerung etc. nach westlichem Verständnis anzupacken. Andererseits trifft er auf eine Generation, deren Codes und damit deren Weltsicht er nicht mehr versteht und von der er sich herausgefordert sieht.

 

Faber betrachtet sich selbst so, wie er die Welt betrachtet, nüchtern, von außen. Er nimmt seine eigene Spur auf, um herauszufinden, welchen Anlass er geliefert hat, die scheinbar irrationale Verkettung von Zufällen in Gang gesetzt zu haben. Damit versucht er die Gewalt und die Schicksalhaftigkeit des Lebens selbst in Frage zu stellen und scheitert daran. Die Betrachter, also die Zuschauer, werden von ihm in alle wesentlichen Details eingeweiht und gewinnen im Lauf der Geschichte einen Erkenntnisvorsprung, der die Spannung im Roman, aber auch im Spiel auf der Bühne immer wieder neu erzeugt.

 

Hasko Webers Anfänge in Chemnitz Ende der 1980er waren geprägt von der „Dramatischen Brigade“, einer Gruppe von Schauspielern und anderen Bühnenkünstlern, die gleichberechtigt ihre Inszenierungen entwickelten. An diese Arbeitsweise schließen Hasko Weber und das „Homo faber“-Team in gewisser Weise an, wenn gemeinsam Dramatisierung und Inszenierung im Probenprozess weiterentwickelt werden. Da Fabers Frage nach dem Richtigen, dem eigenen Standort im Leben eine urmenschliche ist, wird die Inszenierung auf die Spielergruppe gestellt, ganz direkt und persönlich.

 

Hasko Weber studierte von 1985 bis 1989 Schauspiel an der Theaterhochschule „Hans Otto“ in Leipzig, davon zwei Jahre am Schauspielstudio Chemnitz. Anschließend wurde er vom Intendanten Gerhard Meyer als Schauspieler und Regisseur engagiert. Im selben Jahr, 1989, gründete er die „Dramatische Brigade“ mit, die – angebunden ans Schauspielhaus – konsequent als Kollektiv arbeitete und bereits mit ihrer ersten Produktion „Schlötel oder Was soll‘s“ (Christoph Hein) künstlerisch und politisch Aufsehen erregte.

 

1990 wurde er als Schauspieler mit Regieverpflichtung ans Staatsschauspiel Dresden engagiert. Intendant Prof. Dieter Görne vertraute dem damals 29-Jährigen 1993 die Position des Schauspieldirektors an. Die folgenden acht Jahre prägte Hasko Weber Ensemble und Ästhetik des Dresdner Hauses. Anschließend arbeitete er als freier Regisseur u. a. in Karlsruhe, Lübeck, Mannheim, Saarbrücken, Tübingen und Wuppertal. Intendant Friedrich Schirmer holte ihn 2002 an das Schauspiel der Staatstheater Stuttgart, wo er bald Hausregisseur wurde. Seine gefeierte Inszenierung von Ibsens „Brand“ wurde 2002 mit dem Bayerischen Theaterpreis ausgezeichnet.

 

Von 2005 bis 2013 war Hasko Weber Intendant des Schauspiel Stuttgart. Unter seiner Leitung erwarb das Haus den Ruf eines gesellschaftlich und politisch engagierten Theaters für die Stadt und wurde 2006 in den Kritikerumfragen von „Theater heute“ und „Die deutsche Bühne“ zum Theater des Jahres gekürt. Neben Gastregien am Berliner Ensemble (Intendant: Claus Peymann) und am Teatre Romea in Barcelona (Intendant: Calixto Bieito) konzentrierte Hasko Weber sich auf die Ensemblepflege am eigenen Haus. Er inszenierte in Stuttgart zeitgenössische Stücke, u. a. Uraufführungen von Martin Heckmanns und Sibylle Berg, sowie Dramatik von Brecht, Müller, Goethe und Schiller.

 

Seit der Spielzeit 2013/2014 ist Hasko Weber Generalintendant des Deutschen Nationaltheaters und der Staatskapelle Weimar. Hier setzte er sich mit „Faust I + II“ auseinander, inszenierte Schillers „Wallenstein“-Trilogie und besorgte eine Reihe von Uraufführungen, u. a. „Vom Lärm der Welt“ (Text: Christian Lehnert / Musik: Sven Helbig) und „Mutti“ (Juli Zeh). Im Oktober 2015 inszenierte Hasko Weber erfolgreich die Uraufführung von „Terror“ (Ferdinand von Schirach) am Deutschen Theater Berlin. Die Inszenierung wurde von der TheaterGemeinde Berlin mit dem Publikumspreis „Aufführung des Jahres“ (Spielzeit 2015/2016) ausgezeichnet. In der Spielzeit 2016/2017 folgten „Biedermann und die Brandstifter“ (Max Frisch) am Schauspielhaus Bochum, der Doppelabend „Melken“ / „Der Hals der Giraffe“ am DNT Weimar, die Uraufführung „Bombenstimmung“ (Jan Neumann) im Rahmen der Ruhrfestspiele in Recklinghausen sowie mit „Fidelio“ (Ludwig van Beethoven) sein Opern-Regiedebüt.

 

Max Frischs Roman „Homo faber“ führt Hasko Weber ans Schauspiel Chemnitz zurück. Seit 2016 ist Hasko Weber Vorsitzender der Intendantengruppe des Deutschen Bühnenvereins.

 

Dramatisierung: Hasko Weber, René Schmidt und Ensemble

 

Regie: Hasko Weber

Bühne und Kostüme: Sarah Antonia Rung

 

Mit: Philipp Otto (Walter Faber), Susanne Stein (Hanna Piper), Seraina Leuenberger (Elisabeth Piper), Magda Decker (Ivy u.a.), Martin Valdeig (Elisabeths Freund, Marcel u.a.), Dirk Glodde (Herbert Hencke, Prof. O. u.a.)

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