Die jüngere Generation im Stück geht anders vor, wenn sie etwas herausfinden will: Hamlet versucht, Erkenntnisse über Claudius´ Verstrickung in den Tod seines Vaters zu gewinnen, indem er ihm ein Theaterstück vom Tod eines Königs vorspielen lässt – in der vagen Hoffnung, die emotionale Reaktion des mutmaßlich Schuldigen möge ihn verraten – eine sehr modern anmutende psychologische Strategie. Um seine Erkenntnissuche zu tarnen, spielt er selbst ein wenig den Wahnsinnigen. Laertes schließlich versucht den König mit dem Zorn des Ohnmächtigen zu verhören, um herauszufinden, wie sein Vater Polonius starb. Ophelia bleibt ganz Instrument in den Händen der anderen; sie ist schon mitten im Stück Opfer der allgemeinen Ränke.
Woher stammt die Dringlichkeit, hinter die Fassade zu blicken, die so viele Formen von psychologischer bis geheimdienstlicher Ausforschungspraxis hervorbringt? »Die Theatralisierung von inneren Gefühlen zu äußeren Posen gehörte zum guten Ton, die Selbstinszenierung war unabdingbares Mittel der Selbstbehauptung auf dem Schlachtfeld der höfischen Salonkultur«, so schreibt der Shakespeare-Kenner und Übersetzer Frank Günther. Kein Wunder, dass solche Chiffrierung des Ichs entsprechende Dechiffrierungstechniken hervorbrachte. Was steckt hinter den gestylten Oberflächen? Was verbirgt sich hinter den gesellschaftlichen Masken und Zeichen? Was ist »faul im Staate Dänemark«?
Gralf-Edzard Habben, geboren 1934 in Moers, arbeitete seit den 1960er Jahren als Bühnenbildner mit Regisseuren wie Kurt Hübner, Hansgünther Heyme, Valentin Jeker, Hans Lietzau, Claus Peymann und Pina Bausch. Nebenbei hatte er verschiedene Gastprofessuren inne. Gemeinsam mit dem Dramaturgen Helmut Schäfer und dem italienischen Regisseur Roberto Ciulli gründete er 1981 das Theater an der Ruhr in Mülheim. Gemeinsam entwickelten und realisierten sie die spezifische Bildsprache des Theaters an der Ruhr. Habben ist ebenso wie Ciulli und Schäfer bis heute in der Leitung des Theaters. »Leonce und Lena« war seine erste Arbeit am Staatstheater Kassel. Das Bühnenbild von »Amphitryon« folgte. »Hamlet« ist seine erste Regiearbeit.
ins Deutsche übertragen von Frank Günther
Inszenierung und Bühne: Gralf-Edzard Habben, Kostüme: Heinke Stork, Musik: Georgy Vysotzky, Licht: Dirk Thorbrügge, Dramaturgie: Michael Volk
Mit: Peter Elter (Hamlet), Bernd Hölscher (Claudius), Anke Stedingk (Getrud), Jürgen Wink (Polonius), Eva Maria Sommersberg (Ophelia), Artur Spannagel (Laertes), Christian Ehrich (Rosenkrantz), Christoph Förster (Güldenstern), Uwe Steinbruch (1. Totengräber/ 2. Schauspieler (Lucianus)), Alexander Weise (1. Schauspieler) Georgy Vysotsky (2. Totengräber), Klaus Strube (Hamlets Vaters Geist), Marina Vysotsky (Putzfrau)
Nächste Vorstellungen: 20. und 26.12.