Einen Blick in die unendlichen Weiten des Universums ermöglichte das Hubble-Weltraumteleskop. Von diesen Bildern hat sich Adriana Hölszky für ihre Komposition "Deep Field" anregen lassen, eine Auftragsarbeit für Martin Schläpfers Balletcompanie an der Deutschen Oper am Rhein. Entstanden ist eine 10phasige Raumklangkomposition, deren einzelne Elemente mit Titeln benannt sind: "Delirium, Erde, Wasser, Feuer, Raubvögel, Piktors Verwandlungen"; sie beziehen sich auf Texte von Hermann Hesse, Friedrich Hölderlin, Friedrich Nietzsche und Hanns Johst. Diese singt der WDR-Rundfunkchor vom dritten Rang aus. Sie sind kaum zu verstehen, da sie wie Musikstücke behandelt werden, indem sie in onomatopoetischen Sprachgesang zerhackt werden. Der Chor wirkt dadurch wie ein antikes Kollektiv oder auch wie ein Vogelschwarm. Aus den seitlichen Lautsprechern erklingen Bandeinspielungen, im Orchestergraben sind die Düsseldorfer Symphoniker durch Akkordeon, Euphonium, Gitarren und Koto verstärkt. Es blubbert, es klopft, es zischt, ein gewaltiges Tönen, der Opernbesucher ist allseits vom Klang umfangen.
Für das Bühnenbild zeichnet rosalie verantwortlich. Sie hat ein Netz gespannt, das durch Lichtregie skulpturale Qualitäten erzielt. Die nachtblau gekleideten Tänzer nehmen manchmal ein Rütteln und Zittern der Musik auf. Dennoch ist die Choreographie im Ganzen keine Illustration oder Interpretation der Musik, der Tanz greift sie nicht direkt auf, sondern bleibt singulär. Etwas verwundert ist man, dass relativ häufig auf Spitze getanzt wird, was bei dieser Art der Musik nicht naheliegt. Zwischen mehr abstrakten Passagen finden sich auch erzählerische Momente, in denen sich die Tänzertruppe zu einem Tänzer auf den Boden hockt, um ihm beim Vorlesen aus Passagen von Hesses Märchen "Piktors Verwandlungen" zu lauschen, in dem die Metamorphose Piktors geschildert wird. Der Zuschauer allerdings kann davon nichts hören. Diese gewollten Brüche im Tanzfluss führen daher von dem Blick aus der Tiefe des Alls in den Mikrokosmos der Erde. Sie gehen dennoch zu Lasten einer Homogenität der Choreographie.
"Deep Field" arbeitet mit einem weiten Assoziationsraum, der sich kaum im Einzelnen entschlüsseln lässt. Der theoretische Überbau ist etwas zu ambitioniert geraten. Problematisch ist zudem die Verwendung des Textes von Hanns Johst, der mit einer ausgewiesenen Nazi-Vergangenheit belastet ist, die im Programmheft mit keinem Wort thematisiert wurde, was in den Medien einige Kritik hervorrief.
Beeindruckend ist allerdings das Klangerlebnis, dem der Zuschauer ausgesetzt wird, und ohne Frage die Leistung der Ausführenden: des WDR-Rundfunkchores, der Düsseldorfer Symphoniker unter der Leitung von Wen-Pin Chien und des Corps de ballet der Rheinoper.
DEEP FIELD (Uraufführung) von Martin Schläpfer
MUSIK DEEP FIELD. Zehn KLANGbelichtungen einer METAmorphose. Auftragskomposition / Uraufführung von Adriana Hölszky
In Kooperation mit dem WDR Rundfunkchor Köln
Choreographie: Martin Schläpfer
Musikalische Leitung: Wen-Pin Chien
Medien-Licht-Skulptur & Kostüme: rosalie
Leitung Tonaufnahme und Klangregie: Otto Kränzler
Licht: Thomas Diek
Chorleitung: Denis Comtet
Tänzerinnen: Sachika Abe, Ann-Kathrin Adam, Marlúcia do Amaral, Camille Andriot, Doris Becker, Sabrina Delafield, Mariana Dias, Feline van Dijken, Carolina Francisco Sorg, Nathalie Guth, Alexandra Inculet, Christine Jaroszewski, Yuko Kato, So-Yeon Kim, Nicole Morel, Louisa Rachedi, Claudine Schoch, Virginia Segarra Vidal, Elisabeta Stanculescu, Julie Thirault, Irene Vaqueiro
Tänzer: Rashaen Arts, Christian Bloßfeld, Andriy Boyetskyy, Paul Calderone, Jackson Carroll, Martin Chaix, Michael Foster, Filipe Frederico, Philip Handschin, Richard Jones, Marquet K. Lee, Sonny Locsin, Alexander McKinnon, Marcos Menha, Bruno Narnhammer, Bogdan Nicula, Chidozie Nzerem, Alban Pinet, Friedrich Pohl, Boris Randzio, Alexandre Simões
Chor: WDR Rundfunkchor Köln
Orchester: Düsseldorfer Symphoniker