Richard von Gloucester wird weder gefürchtet noch geliebt. In Staffan Valdemar Holms Inszenierung für das Düsseldorfer Schauspielhaus macht man sich lustig über ihn, imitiert sein Krüppeltum, hetzt verbal eine Hundemeute auf ihn. Auf einem Sammelsurium von Stühlen haben die Schauspieler Platz genommen. Sie verfolgen unbeteiligt das Geschehen, es sei denn ihr Auftritt hat zu erfolgen. Auf den schwarzen Wänden ist die Genealogie der Protagonisten mit Kreide gezeichnet, was sinnvoll ist, wimmelt es doch nur so von Edwards, Henrys und Richards, und ist doch jeder mit jedem verwandt.
Am Hof leben harmlos wirkende Menschen in bürotauglicher Alltagskleidung, mit Ausnahme des Richard von Gloucester, der sich auch hier nicht an Konventionen hält und betont schluffig daherkommt. Dass Shakespeares "Richard III." kein Edelmensch ist, ist bekannt. Verstellung, Schmeichelei und Falschheit sind seine Mittel. Jeder, der sich ihm in den Weg stellt, wird beseitigt, was in dieser Inszenierung ausführlich und mit Beiläufigkeit gezeigt wird. Es wird gesungen, aber das sind böse Lieder, denn in Düsseldorf sind auch die Opfer nicht besser als Richard. In der Skrupellosigkeit, mit der alle nach Macht und Machterhalt streben, stehen auch die Frauen, sich hinter Klageliedern und Verfluchungen versteckend, den Männern in nichts nach. Aufstieg und Fall auf Kosten anderer folgen mit Beständigkeit.
Und so ist es denn auch nicht nur Richard allein, sondern zugleich ein korruptes politisches System was hier in Frage gestellt wird. Holm zeigt die Banalität des Bösen, das uns angesichts des alltäglichen Terrors schon gar nicht mehr zu erschrecken vermag. Das scheint nicht besonders aufregend zu sein, ist darum aber umso bedenklicher. Folgerichtig ist Rainer Galke als Richard III. kein Psychopath oder ein kompensierender Ausgegrenzter, sondern ein verbeamteter Strippenzieher, der sich mit einer Zwangsläufigkeit seinen Weg zur Macht zu bahnen weiß. Und alle anderen halten sich demnach auch nur an die Konventionen ihrer gesellschaftlichen Rollen, in Holms Inszenierung sind sie ihm in einer gelungenen Ensembleleistung ebenbürtig.
Aus dem Englischen von Thomas Brasch, in einer Bearbeitung von Staffan Valdemar Holm und Benedikte Hammershøy Nielsen
Richard, Herzog von Gloucester, später Richard III.: Rainer Galke
Sir Robert Brakenbury, Kommandant des Towers / Lord Rivers / Sir William Catesby / Erzbischof von York / Richard II. / Henry VI.: Moritz Löwe
George, Herzog von Clarence / Lord Hastings, Lordkanzler / Ein Bote / Sir James Tyrrell / Sheriff Wiltshire / Sir James Blunt / Priester / Sargträger: Taner Sahintürk
Lady Anne: Patrizia Wapinska
Königin Elisabeth: Claudia Hübbecker
Lord Grey / Lord Stanley / Erster Mörder / König Edward IV. / Richard, Herzog von York / Bürgermeister von London / Titania: Dirk Ossig
Marquis von Dorset / Zweiter Mörder / Sir Richard Ratcliffe / Edward, Prinz von Wales / Ein Page / Richmond, später Henry VII. / Priester / Sargträger: Jonas Anders
Herzog von Buckingham: Florian Jahr
Königin Margaret: Karin Pfammatter
Herzogin von York: Manuela Alphons
Regie: Staffan Valdemar Holm
Bühne : Bente Lykke Møller
Kostüme: Bente Lykke Møller
Licht: Torben Lendorph
Dramaturgie: Daniel Richter
Premiere 24. März 2012