"Assommons les pauvres!" – "Erschlagt die Armen!" nannte Charles Baudelaire 1865 ein Prosagedicht, in dem ein Mann einem Bettler auf den Kopf schlägt. Titel und Geste hat die Schriftstellerin Shumona Sinha für ihren Roman übernommen, in dem sie die Kehrseite des Asylsystems mit wütendem Blick seziert. Was treibt eine Frau, die in einer solchen Behörde als Dolmetscherin zwischen Asylbewerbern und Beamten vermittelt, zu einer solchen Tat? Hat sie die Seiten gewechselt? Ist sie mehr und mehr selbst zu einer Beamtin geworden? Oder sind es die tagtäglich sich wiederholenden Geschichten der Asylbewerber, die in ihrem Innern das Elend der Heimat und die Übermacht der Männer reproduzieren, vor denen sie geflohen ist?
"Dass eine weiße Frau sie befragt, nehmen die Männer noch hin, aber eine dunkelhäutige Frau, die aus der gleichen Region stammt, das ist für sie zu viel. Da ich aus Indien komme, Frau bin und mich strikt an die Arbeitsregeln halte, bestand von vornherein eine große Spannung. Ich habe viel Wut abbekommen und es hat mich sehr traurig gemacht." Sie selbst wird immer mehr zu einer Fremden in den Augen der Beamten, aber auch für ihre ehemaligen Landsleute. Denn sie ist eine, die es geschafft hat. Schließlich gibt es für sie in der menschenverachtenden Enge ihrer Welt keine andere Reaktion als den Angriff. Das Geflecht von Lüge und Repression wird für die Protagonisten immer absurder, "wie in einem Volkstheaterstück". So beschreibt die 1973 in Kalkutta geborene Autorin die groteske Handlung in ihrem zornigen Roman. Shumona Sinha war selbst als Dolmetscherin für Asylsuchende tätig. Nach der Veröffentlichung von "Erschlagt die Armen!" 2011 verlor sie ihre Arbeit bei der französischen Migrationsbehörde.
Zino Wey, 1988 in der Schweiz geboren, inszeniert nach Regiearbeiten in Mannheim, Basel, an den Münchner Kammerspielen und am Schauspielhaus Zürich mit der Schauspielerin Anna Drexler den mit dem Internationalen Literaturpreis ausgezeichneten, brisanten Gegenwartstext.
Deutsch von Lena Müller
Regie + Bühne Zino Wey
Kostüme Veronika Schneider
Musik Ole Brolin
Licht Monika Pangerl
Dramaturgie Andrea Koschwitz
mit
Anna Drexler
Di 06. Mär 18, 20:00 Uhr
Di 13. Mär 18, 19:30 Uhr