Jeder spielt dort mit Jedem in durchsichtigem Inkognito. Das Stubenmädchen Adele als aufstrebende Künstlerin, der Gefängnisdirektor Frank als französischer Chevalier und Eisensteins Frau Rosalinde als maskierte ungarische Gräfin. Ihr Ex-Liebhaber, der Sänger Alfred, sitzt derweilen anstelle von Eisenstein im Gefängnis. Erst in der Katerstimmung des nächsten Morgens bröckeln im Gefängnis die angemaßten Scheinwelten. Was war nur Sinnenrausch und Schwindel, was war Lug und Betrug? Den Überblick behält allenfalls der Gefängniswärter Frosch als eigensinniger Freund des Sliwowitz’ mit dem vielleicht klarsten Blick auf die wahren Verhältnisse.
Eine Fülle wunderbarer Melodien und ein pointenreiches, ironisch-hintergründiges Textbuch, dessen Themen allzeit und überall nachvollziehbar sind sowie eine große Zahl charakterstarker Figuren voller Leben. Welche Operette könnte besser ins Repertoire des Gärtnerplatztheaters passen?
Am 9. Mai 1873 brach in der Walzerstadt Wien die Börse zusammen. Dazu kam im Sommer eine Choleraepidemie und die Weltausstellung schloss im Oktober mit einem wirtschaftlichen Misserfolg. Aber eben, weil es sich auf den Trümmern des Verfalls immer schon am besten tanzen und feiern ließ, kam Johann Strauß’ Uraufführung der Fledermaus im April 1874 in Wien gerade zum rechten Zeitpunkt.
Die Inszenierung greift diese aktuellen Bezüge ebenso auf, wie sie den hintergründigen Witz der Operette herauskitzelt und natürlich deren musikalischen Reichtum voll ausschöpft.
Prächtige Charakterstudien ermöglichen die unsterblichen Strauß’schen Figuren den Operettenspezialistinnen und Spezialisten aus dem Gärtnerplatz-Ensemble: Daniel Fiolka und Tilmann Unger alternieren in der Partie des Gabriel von Eisenstein an der Seite von Heike Susanne Daum und Christine Buffle als Gast in der Rolle der Rosalinde. Kammerzofe Adele mit ihrem Hang zu Höherem kommt in Gestalt von Sibylla Duffe (soeben mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet) auf die Bühne, alternierend mit Ensemble-Neuzugang Ella Tyran. Mit Mario Podrecnik und Robert Sellier (Alfred), Franziska Rabl (Prinz Orlowsky), Dirk Lohr (Gefängnisdirektor Frank) u.v.a. sind auch die übrigen Partien hochrangig besetzt. Die besondere Rolle des Gerichtsdieners Frosch liegt in dieser Fledermaus bei Schauspieler Thomas Peters, der die Figur über ihre traditionelle Funktion samt frechen tagespolitischen Anspielungen hinaus mit einem unerwarteten „gewissen Etwas“ bereichert.
Für viel Bewegung und Tanz sorgen nicht zuletzt die Solisten des TanzTheaterMünchen in der Choreografie von Fiona Copley. Die musikalische Leitung am Pult übernimmt Kapellmeister Andreas Kowalewitz.
Die Fledermaus steht am Gärtnerplatz in großer Tradition. Bereits ein Jahr nach der Uraufführung zum ersten Mal hier aufgeführt, erlebte die Operette bis heute nicht weniger als acht Inszenierungen. Stellvertretend für die große Reihe von Sängern und Darstellern, die diese Operette bereits gestalteten seien hier nur Johannes Heesters und Karl Valentin genannt, der 1937 als Frosch auf der Bühne des Gärtnerplatztheaters stand.
Operette von Johann Strauß, Text von Carl Haffner und Richard Genée
Nach der Komödie LE RÉVEILLON von Ludovic Halévy und Henri Meilhac
Musikalische Leitung: Andreas Kowalewitz,
Inszenierung: Ulrich Peters
Bühne: Herbert Buckmiller;
Kostüme: Götz Lanzelot Fischer,
Choreographie: Fiona Copley
Gabriel von Eisenstein Daniel Fiolka / Tilmann Unger
Rosalinde, seine Ehefrau Christine Buffle / Heike Susanne Daum
Frank, Gefängnisdirektor Dirk Lohr
Prinz Orlofsky Franziska Rabl
Alfred, Gesangslehrer Mario Podrecnik / Robert Sellier
Dr. Falke, Notar Juan Fernando Gutiérrez / Torsten Frisch
Dr. Blind, Advokat Cornel Frey / Hans Kittelmann
Adele, Kammermädchen Sibylla Duffe / Ella Tyran
Ida, ihre Schwester Ulrike Dostal / Milica Jovanovic
Frosch, Gerichtsdiener Thomas Peters
6., 8., 31. Dez. 10; 6., 8., 13., 19., 30.** Jan 11;
4., 26. März; 2. April; 10. Mai 2011
**= Nachm., 15.00 Uhr
Tickets 4,- bis 61,-€ unter 089.21 85 19 60 oder www.gaertnerplatztheater.de