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Ein Hauch von Sehnsucht

"Postcards from Vietnam" von Raimund Hoghe im Tanzhaus NRW

Raimund Hoghes letztes Stück „Lettere amoroso“ handelte von Flucht und den sehnsuchtsvollen Briefen, die die Geflohenen schrieben. So weckt das Wort „Vietnam“ im Titel des neuen Stückes "Postcards from Vietnam" von Raimund Hoghe, das jetzt im Tanzhaus NRW zur Uraufführung kam, zunächst Assoziationen an das Flüchtlingsdrama der 1970er Jahre, als viele Vietnamesen vor den Folgen des Krieges und dem kommunistischen Terrorregime als sogenannte „Boat-People“ flohen.

 

Copyright: Rosa Frank

Und der erste Text scheint das auch zu bestätigen. Doch Hoghe wendet sich diesem Thema nur anklangsweise, nicht plakativ, sondern leise zu. Die Postkarten aus Vietnam entpuppen sich als Popup-Karten mit filigran gestalteten vietnamesischen Szenarien, die Hoghe bei Straßenverkäufern in Paris erstanden hat. Diese Karten werden einzeln wie kleine Kostbarkeiten auf die mit schwarzen Vorhängen gekleidete Bühne getragen und am vorderen Bühnenrand abgelegt. Dabei wird der Bühnenrand langsam abgeschritten.

Neben die farbenfrohen Karten werden die weißen Briefumschläge platziert. In einem Pas de deux bewegen sich die Koreanerin Ji Hye Chung und der Japaner Takashi Ueno simultan, nah verbunden, doch ohne sich zu berühren, ein Tanz von großer, inniger Zärtlichkeit. In einem Solo von Takashi Ueno wird die Sehnsucht nach einem freien Leben durch Nachahmen von Flügelschwingen angedeutet. Graue Wolldecken werden zu flatternden Vögeln oder hüllen Hoghe am Boden liegend schützend ein. In einem letzten Pas de deux finden Ji Hye Chung und Takashi Ueno in Berührung zueinander.

Wesentlich wird die Stimmung des Stücks durch die Auswahl der Musik unterstützt. Die Lieder erzählen vom Mond, von Wind und Meer, von Vögeln, vom Wunsch fliegen zu können, reflektieren Liebe und Liebesirrtümer, erzählen von melancholischer Sehnsucht und der Hoffnung auf eine bessere Welt: Bach und Pachebel, „Somewhere“ aus Leonard Bernsteins „West Side Story“ rauchig von Tom Waits interpretiert, Lieder von Milly und Peggy Lee, einer der bekanntesten Protestsongs der 1960er Jahre „We shall overcome“. Bei Millys „A Calais“ denkt man heute auch an die dort mehrfach geräumten Flüchtlingslager. Zum Schluss erklingt Ella Fitzgeralds „How high the Moon“.

Raimund Hoghe versteht es, Melancholie, Vergänglichkeit, Liebe, Sehnsucht, Wehmut fühlbar zu machen, reduziert und leise, aber mit einfachen Mitteln um so eindrucksvoller.

Höchste Anerkennung für seine choreographische Arbeit erhält Raimund Hoghe immer in Frankreich. Daher wurde ihm jetzt im Anschluss an diese Vorstellung vom französischen Staat der „L’Officier de l’Ordre des Arts et des Lettres“ verliehen. Eine überaus verdiente Ehrung!

Konzept, Choreografie, Ausstattung: Raimund Hoghe; Künstlerische Mitarbeit: Luca Giacomo Schulte; Tanz: Ji Hye Chung, Takashi Ueno, Raimund Hoghe; Management: Les Indépendances Paris.

Eine Produktion von Raimund Hoghe – Hoghe + Schulte GbR Düsseldorf, gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, die Kunststiftung NRW und das Kulturamt der Landeshauptstadt Düsseldorf. Mit Unterstützung von La Ménagerie de Verre Paris dans le cadre de Studiolab, Montpellier Danse / Résidence à l’Agora, Cité Internationale de la Danse Montpellier, Rivoli - Teatro Municipal do Porto und dem Theater im Pumpenhaus Münster. Mit besonderem Dank an agnès b. Paris.

Premiere Fr 31.01.2020, 20:00

 

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