Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
EFFEKTVOLLE WENDUNGEN - "Der letzte Vorhang" von Maria Goos im Theater Atelier/STUTTGART EFFEKTVOLLE WENDUNGEN - "Der letzte Vorhang" von Maria Goos im Theater...EFFEKTVOLLE WENDUNGEN -...

EFFEKTVOLLE WENDUNGEN - "Der letzte Vorhang" von Maria Goos im Theater Atelier/STUTTGART

am 2. Juni 2023

Dieses Stück von Maria Goos (die in den Niederlanden als Multitalent viele Fernsehpreise gewann) verpackt eine komplizierte Dreiecksbeziehung geschickt zu einem durchaus spannenden Stück mit erfrischenden Dialogen. Sophie Schneider und Guido Kunkel spielen hier Lies und Richard, die 20 Jahre gemeinsam auf der Bühne standen. Assoziationen zu Liz Taylor und Richard Burton sind gewollt.

 

Copyright: Theater Atelier Stuttgart

Es sind virtuose Schauspieler, die Schauspieler spielen. Das Theater auf dem Theater kommt so rasch in Gang. Die Sprünge zwischen Kunst und Leben wechseln sich in diesem temporeichen Zwei-Personen-Stück in der subtilen Regie von Vladislav Grakovskiy und im Bühnenbild und den Kostümen von Lara Grakovskiy in facettenreicher Weise ab.

Lies kehrte der Bühne den Rücken, heiratete einen Kunst sammelnden Frauenarzt und zog nach Südfrankreich. Richard blieb dem Theater jedoch treu. Er ist allerdings zynisch, trinkt viel zu viel und verärgert Kolleginnen. Die Premiere des neuen Stücks droht deswegen zu scheitern. Die beiden Darsteller agieren hier mit viel Situationskomik, die durch die Bühnenassistenz von Nicole Hartuna und die musikalische Saxophon-Begleitung von Thomas Leitmann  noch erheblich verstärkt wird.  Lies lässt sich dann jedoch überreden und beide geraten in einen Sog unterschiedlichster Gefühle und Stimmungen, was Sophie Schneider und Guido Kunkel überzeugend verkörpern.

So brechen alte Wunden wieder auf, der Frauenarzt wird von dem eifersüchtigen Richard sogar als "Mösenbeschauer" diffamiert. Er gießt Lies Alkohol ins Gesicht: "Hat's Spaß gemacht, mich zu demütigen?!" Und natürlich muss sie sich verteidigen: "Ich bin mit ihm verheiratet!" Im Laufe der Handlung wird immer mehr deutlich, dass ihr Ehemann trotz der Beziehung zu Richard stets präsent ist und deswegen die Nähe der beiden Schauspieler zueinander verhindert. Es ist eine komplizierte Dreiecksbeziehung mit vielen Hindernissen, bei der Lies Richard schließlich vorwirft, dass ihm "ein gewisser Ruf" vorauseilt. Tatsächlich ist er jähzornig und brüllt seine Kolleginnen im Theater an. "Du stinkst nach Alkohol!" sagt sie zu Richard, der ihren Ehemann wieder als "Muschi-Doktor" bezeichnet.

Der Alkoholgenuss entfaltet hier eine immer verhängnisvollere Wirkung, es ist wie der Vorhof zur Hölle. Das seltsame Paar fragt sich allerdings auch, ob es damals die richtige Entscheidung war, getrennte Wege zu gehen. "Du wolltest es gar nicht verhindern", meint Richard. Und beide philosophieren über die Magie von Rubens-Gemälden. Für Richard  ist eine Schauspielerin "eine Hure mit gutem Gedächtnis". Und sie kontert schlagfertig: "Spiel' du nur weiter Hamlet in der Bearbeitung eines isländischen Pferdezüchters!" So kommt es zur endgültigen Trennung: "Mach's gut, meine Liebe..." Die Melancholie dieser letzten Szene wird in der Inszenierung von Vladislav Grakovskiy sehr gut herausgearbeitet (Regieassistent: Giovanni Gagliano).

Nach einer spannungsvollen Pause erscheint zuletzt wieder der Ehemann von Lies mit einem Blumenstrauß, das eigentliche Paar hat sich wieder gefunden. Es gab viel Applaus und "Bravo"-Rufe für eine Inszenierung, die das Verhältnis von Frauen und Männern in hintersinniger Weise auslotet. Der Zuschauer wird fast direkt am Geschehen beteiligt und Guido Kunkel schlüpft virtuos in die beiden Männer-Rollen.
 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 16 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

PRÄZISE STRUKTUREN -- Neue CD: Schostakowitschs Präludien & Fugen op. 87 bei Pentatone/ Wer sie in S

Wer sie in Stuttgart mit Prokofieffs drittem Klavierkonzert erlebt hat, wird sie nicht vergessen. Die Rede ist von der russischen Pianistin Yulianna Avdeeva, die die Präludien und Fugen von Dmitri…

Von: ALEXANDER WALTHER

RITTERLICHER HUMOR -- Das Stuttgarter Ballett zeigt "Don Quijote" im Opernhaus STUTTGART

In diesem Ballett von Maximiliano Guerra nach Miguel de Cervantes kämpft ein junges Paar um seine Liebe. Gleichzeitig begegnen wir Don Quijote als Träumer mit einem unglaublichen Durchhaltevermögen.…

Von: ALEXANDER WALTHER

UNENDLICHKEIT DER KLANGWELT -- Liederabend mit Benjamin Appl im Ordenssaal bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

Die Nacht in all ihren geheimnisvollen Facetten stand im Mittelpunkt dieses bemerkenswerten Liederabends mit Benjamin Appl (Bariton), der auch bei Dietrich Fischer-Dieskau studierte, was man seinen…

Von: ALEXANDER WALTHER

KOSMISCHES KLANGGEFÜHL -- Gustav Mahlers achte Sinfonie mit dem Staatsorchester Stuttgart unter Cornelius Meister

In der im Jahre 1907 vollendeten Partitur der Sinfonie Nr. 8 in Es-Dur von Gustav Mahler fließen laut Paul Bekker "kosmisches Klanggefühl, sozialistischer Formwille, künstlerisches Ethos in eines.…

Von: ALEXANDER WALTHER

SIBELIUS' HULDIGUNG AN DIE VIOLINE -- Meisterkonzert 2.0 der Carl-Flesch-Akademie im Weinbrennersaal des Kurhauses Baden-Baden

Wieder präsentierten hoffungsvolle Talente der Carl-Flesch-Akademie im Kurhaus ihr Können. Zu Beginn musizierte Sae Ito (29) aus der Klasse von Mate Szücs das recht wenig bekannte Konzert für Violine…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑