1.Burgtheater
11.09.2020, 19.30 Uhr
"Das Leben ein Traum"
Pedro Calderón de la Barca
Regie: Martin Kušej
Bühne: Annette Murschetz
Kostüme: Heide Kastler
Musik: Bert Wrede
Licht: Friedrich Rom
Dramaturgie: Sebastian Huber
Mit: Gunther Eckes, Norman Hacker, Roland Koch, Franz Pätzold, Julia Riedler, Wolfram Rupperti, Andrea Wenzl, Tim Werths, Johannes Zirner
Die Isolation ist beendet, in der der junge Mann zeit seines Lebens gefangen war. Sein Vater, der polnische König (Norman Hacker), hatte früh eine Gefahr in seinem Sohn (Franz Pätzold) erkannt, bei dessen Geburt die Sterne schlecht standen und an der seine Mutter starb. Daher hielt er den Prinzen dem Leben und der Macht fern. Erst als er sein Amt niederlegen will, entschließt er sich zu einer Probe aufs Exempel. Aus der Irrealität eines erfahrungsarmen Lebens jenseits der Gesellschaft wird Prinz Sigismund in einen künstlichen Schlaf versetzt und an den Hof gebracht, wo man ihn wie einen Königssohn behandelt. Er, der „bei Menschen als ein Tier/Und als ein Mensch bei Tieren gilt“ verhält sich, wie es befürchtet wurde und zu erwarten war: roh, gewalttätig, unbeherrscht und kein bisschen dankbar für seine Befreiung, sondern voll unbändigem Zorn über seine Gefangenschaft.
So ist er gesellschaftlich nicht tragbar und schon gar keine Empfehlung für den Thron. Wieder wird Sigismund seines Bewusstseins beraubt und zurück in den Turm verbracht, wo man ihm suggeriert, von Palast und Königswürden nur geträumt zu haben. Als er von Revolutionären erneut befreit wird, hat er längst alles Vertrauen in die gängigen Gegensätze von Traum und Wirklichkeit aufgegeben: „Denn ein Traum ist alles Sein/Und die Träume selbst sind Traum.“ Der radikale Skeptizismus führt ihn aber nicht in Rückzug und Resignation, vielmehr entfaltet sich ihm das aufgelöste Paradoxon als utopische Perspektive: Wenn das Leben ein Traum ist, ist menschliches Handeln möglich.
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2.Akademietheater
12.09.2020, 19.30 Uhr
"antigone. ein requiem" (Österreichische Erstaufführung)
Thomas Köck nach Sophokles
Regie: Lars-Ole Walburg
Bühne: Peta Schickart
Kostüme: Hanna Peter
Musik: Lars Wittershagen
Video: Bert Zander
Licht: Marcus Loran
Dramaturgie: Tobias Herzberg
Mit: Mehmet Ateşçi, Sarah Viktoria Frick, Dorothee Hartinger, Mavie Hörbiger, Deleila Piasko, Branko Samarovski, Markus Scheumann
Leichen türmen sich am Strand von Theben. Es sind die Körper zahl- und namenloser Fremder, die ihre unsichere Passage in die wohlhabende Stadt mit dem Leben bezahlen mussten. Während der Chor der Bürger*innen sich noch
fragt, wen diese Toten etwas angehen, will Kreon (Markus Scheumann) als Herrscher von seiner eigenen Verantwortung nichts wissen. Er verfügt, dass dieKörper am Ufer liegen bleiben und verwesen sollen. Wer sich ihnen nähert, macht sich strafbar. Antigone (Sarah Viktoria Frick) lässt sich davon nicht abhalten: Die junge Frau schleppt die aufgequollenen Leichen vom Strand bis in die Stadt und fordert, dass man sie bestattet. Für Kreon eine maßlose Provokation. Antigone hält der Herrschaftslogik Kreons mit Starrsinn und guten Argumenten die eigenen Werte entgegen.
Der Streit um den Umgang mit den herangespülten Fremden
spaltet Theben und führt zu noch mehr Toten. Der österreichische Dramatiker Thomas Köck – zweifacher Träger des Mülheimer
Dramatikerpreises – verwendet die Sophokles-Übersetzung nach Hölderlin als Fundament seiner „Rekomposition“, geht aber weit über eine sprachliche Aktualisierung hinaus. Den Konflikt zwischen Kreon und Antigone entwickelt er zu einem heutigen Diskurs über Humanismus und politische Verantwortung. Dem Chor kommt dabei – als beobachtender Kommentator und Spiegel einer
gleichgültigen Gegenwartsgesellschaft – eine zentrale Rolle zu.
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3.Kasino
13.09.2020, 18.00 Uhr
Stolz und Vorurteil* (*oder so) (Deutschsprachige Erstaufführung)
Isobel McArthur nach dem Roman von Jane Austen
Burgtheaterstudio
Für alle ab 14
Regie: Lily Sykes
Bühne & Kostüme: Thea Hoffmann-Axthelm
Licht: Norbert Gottwald
Dramaturgie: Claudia Kaufmann-Freßner
Mit: Caroline Baas, Johanna Mahaffy, Maya Unger, Lili Winderlich, Wiebke Yervis (Studierende des Max Reinhardt Seminars)
Frau wählt ihren Berufsweg selbst, kann Karriere machen, ist ökonomisch unabhängig und heiratet, wenn überhaupt, ausschließlich aus Liebe – das ist doch eine Selbstverständlichkeit? Nein – noch nicht seit allzu langer Zeit und noch immer nicht überall. Und so wurden auch Anfang des 19. Jahrhunderts Ehen nicht im Himmel geschlossen, sondern an der Heiratsbörse gehandelt. In Jane Austens berühmter Liebesgeschichte ist es die Familie Bennet, die entsprechende Junggesellen für die fünf unverheirateten Töchter sucht – diese Suche ist eine Existenzfrage, denn das Vermögen der Familie kann nur in männlicher Linie weitergegeben werden, ohne Stammhalter stünden die Töchter irgendwann vor dem Nichts.
Da außerdem die Verhältnisse der Familie bescheiden sind, wäre es gut, sich ein wenig „hoch“ zu heiraten. Bis allerdings die Standesunterschiede überwunden sind, bis das Vorurteil der Zuwendung weicht und der Stolz den wahren Gefühlen Platz machen kann, kommt es in diesem wirbelnden Heiratskarussell zu folgenreichen Missverständnissen, mütterlichen Nervenkrisen und spitzzüngigen Wortgefechten – was sich liebt, das quält sich. Doch Taschentücher braucht man in Isobel McArthurs furioser Dramatisierung, die in London große Erfolge feiert, bestenfalls für die Lachtränen – sie setzt auf Jane Austens ironisch-witzige Dialoge und erzählt die Geschichte aus der Perspektive der Dienstmädchen. Denn die kennen sich aus – mit der Liebe und mit den „hohen“ Herrschaften!