Wie gestaltet man seinen Alltag abseits der umtriebigen Gesellschaft, wenn die Nacht stets zum Tag wird und ein Ende nicht in Sicht ist? In einer fortwährenden Endlosschleife gefangen stellen sich irgendwann existenzielle Fragen nach Sinn und Unsinn des irdischen Schat-tendaseins. Denn die ewige Wiederkehr des Immergleichen wird vielleicht irgendwann so sehr zum erdrückenden Schwergewicht, dass man sich manchmal lieber einen Holzpfahl ins Herz rammen würde...
Der musikalische Schauspielabend «Dracula oder Frust der Unsterblichkeit» ist die dritte und letzte Produktion der Schauergeschichten-Reihe im UG.
Der Vampir gilt als furchterregender Blutsauger, der den Menschen Lebenskraft aussaugt, um selbst unsterblich zu sein. Er ist aber auch ein sensibles Wesen, melancholischer Neurotiker, eine fragile Gestalt, aus der Zeit gefallene Kreatur und ein individualistischer Aussenseiter, der am Rande der Gesellschaft sein Schattendasein fristet. Interpretiert man seine Unsterblichkeit nicht als bedrohliche Überlegenheit, sondern als schwere Bürde, ist der Vampir vor allem als eine gequälte Seele zu bemitleiden. Denn ist die ewige Jugend wirklich so erstrebenswert? Was passiert, wenn Zeit nicht mehr in unserem Sinne wertvoll ist, wenn man unendlich viel davon zur Verfügung hat? Wie gestaltet man sein Leben sinnvoll, wenn es ewig dauert?
Der Mythos des blutdürstigen Wiedergängers, der des Nachts sein Unwesen treibt, entstand auf dem Bal-kan im 16. Jahrhundert. In Literatur und Film wurden die Blutsauger mehrfach verewigt, in den letzten Jah-ren wurde der Vampir immer mehr entmythisiert, sein Wandel von der furchterregenden zur tragischen Fi-gur war vollzogen. Vermenschlicht und domestiziert, ist er nun mehr Verführer mit unwiderstehlicher An-ziehungskraft als gefürchtete Schreckensgestalt, wie die erfolgreiche «Twilight»-Saga oder Jim Jarmuschs Film «Only Lovers Left Alive» beweisen.
«Dracula oder Frust der Unsterblichkeit» ist eine Collage aus Texten unterschiedlicher Autoren der Weltliteratur, die das Vampirpaar auf der Bühne alle persönlich gekannt hat. Früher auf Du und Du mit den bedeutendsten Dichtern und Denkern ihrer Zeit, leben sie heute zurückgezogen in einem verlassenen Theaterkeller und lassen ihr langes Leben Revue passieren. Sie führen Gespräche über längst verstorbe-ne Zeitgenossen und schwelgen in Erinnerungen an alte Zeiten, in denen die Beschaffung frischen Blutes lange nicht so heikel war wie heute. Neben den Texten spielt Musik eine gewichtige atmosphärische Rolle, die der Zürcher Filmkomponist Michel Barengo eigens für den Abend komponiert hat.
Die Regisseurin Lia Schmieder studierte Musikwissenschaften, Publizistik und Kunstgeschichte an der Universität Zürich und der Humboldt Universität Berlin. Sie absolvierte mehrere Regiehospitanzen und -assistenzen am Opernhaus Zürich, am Theater Basel sowie an der Komischen Oper Berlin, unter ande-rem bei den Regisseuren Robert Wilson, Sebastian Baumgarten und Andreas Homoki.
Lia Schmieder (Inszenierung),
Viola Valsesia (Bühne),
Christian Schweizer (Kostüme),
Michel Barengo (Musik),
Carmen Bach (Dramaturgie)
Mit
Wiebke Kayser; Clemens Maria Riegler, Patrick Slanzi
Alle Vorstellungen
(jeweils 20.00 Uhr): 30.1. | 1.2. | 5.2. | 13.2. | 27.2. | 11.3. | 19.3. | 27.3.2015 im UG, Winkelriedstrasse 12