Zunächst muss er sich aber bei Jupiter die Erlaubnis zum Betreten des Hades erbitten. Jupiter fürchtet ebenfalls um seinen guten Ruf, würden seine vielen, geheimen Liebschaften publik. Auf dem Olymp herrscht Langeweile und es gibt immerzu nur Ambrosia und Met. Die aus dem schnarchenden Schlaf erwachten Götter planen eine Revolte gegen Jupiter, da kommt ihm ein Familienausflug zu Pluto als Ablenkung gerade recht. Außerdem ist er hellhörig geworden als von Eurydikes Schönheit gesprochen wurde, er rechnet sich schon Chancen aus.
Jacques Offenbach Opéra-buffon "Orpheus in der Unterwelt" ist jetzt in der Mischfassung von 1858/1874 in der Deutschen Oper am Rhein in einer Inszenierung von Barrie Kosky zu sehen, einer Koproduktion mit den Salzburger Festspielen und der Komischen Oper Berlin. Die temporeiche Parodie auf den Orpheus-Mythos mit Zitaten aus Glucks Oper und einer Tour durch die Musikkultur mit Fliegenballett, Höllenchor, Vaudeville-Chanson, Menuett und Cancan wird von Kosky noch um ein Bienenballett ergänzt. So kracht die Party richtig!
Kosky hat sich an der historischen Aufführungspraxis orientiert und z. B. Pluto transvestitisch angelegt. John Styx, den Fährmann, hat er mit dem Schauspieler Max Hopp besetzt, der keine Operngesangsausbildung hat, aber über komödiantisches Talent verfügt. Er übernimmt sämtliche Sprechpartien der Sänger und Sängerinnen, die auf Deutsch erfolgen, während die Gesangspartien auf Französisch bleiben. Zudem unterlegt er ihr Tun mit Geräuschen, wie bei einer Filmtonspur. Das ist sehr komisch, ist aber nicht aus der Luft gegriffen, sondern führt die in den offenbachschen Couplets bereits angelegten Lautmalereien weiter. Mit großer Sinnenfreude treibt Kosky die Parodie auf die Spitze, mit gestischen und mimischen Akzentuierungen wie in einem bunten Comicstrip. Dahinter schimmert vage die Scheinheiligkeit einer erotisch aufgeladenen Gesellschaft durch, die sich dennoch ennuiert.
Anders als der Titel der Opéra-buffon erwarten lässt, steht nicht der etwas dösige Orpheus, sondern Eurydike im Mittelpunkt. Von der gelangweilten Musengattin hat sie sich schon anfangs verabschiedet und sich den Imker Aristäus als Liebhaber erkoren. Dass dieser sie täuscht und eigentlich Pluto ist, geht ihr erst später auf, als sie nach einem Schlangenbiss in der Unterwelt landet. In Plutos Welt langweilt sie sich ebenso schnell und auch das Intermezzo mit Jupiter, der sich ihr als Fliege nähert, bringt keinen Aufschwung, dazu ähneln sich diese Männer zu sehr in ihrem Gebaren. Kosky ändert das offenbachsche Ende ab und macht Eurydike zu einer selbstbewusst Handelnden, die sich von den Männern emanzipiert und selbst entscheidet, was sie will, nämlich Bacchantin bleiben.
Barrie Kosky schöpft bei seiner schwungvollen Inszenierung von Jacques Offenbach "Orpheus in der Unterwelt" aus dem Vollen. Sie ist sinnenfroh, anzüglich und erotisch aufgeladen, Ausstattung und Kostüme sind opulent. Die Charaktere sind nicht einseitig gezeichnet, sondern zeigen sich neben ihrer Liebesgier auch als verletzlich. Kein Wunder daher, dass es stehende Ovationen gab. Neben Max Hopp als koboldhaftem, facettenreichen John Styx, Florian Simson als lüsternem Pluto und Peter Bording als ebenso lüsternem Jupiter überzeugten Bryony Dwyer als lustvolle Eurydike und Andrés Sulbarán als ausgebooteter Orpheus.
Musikalische Leitung: Andreas Schüller
Inszenierung: Barrie Kosky
Bühne: Rufus Didiwiszus
Kostüme: Victoria Behr
Choreographie: Otto Pichler
Licht: Franck Evin
Chorleitung: Patrick Francis Chestnut
Dramaturgie: Susanna Goldberg/Juliane Schunke/Maurice Lenhard
Die öffentliche Meinung: Susan Maclean
John Styx: Max Hopp
Eurydike: Bryony Dwyer
Orpheus: Andrés Sulbarán
Pluto: Florian Simson
Cupido: Romana Noack
Venus: Heidi Elisabeth Meier
Jupiter: Peter Bording
Juno: Katarzyna Kuncio
Mars: Torben Jürgens
Diana: Maria Fiselier
Merkur: Joshua Spink
Tänzerin:
Giorgia Bortoluzzi, Jessica Falceri, Luisa Mancarella, Claudia Greco, Luissa Joachimstaller
Tänzer:
Kai Chun Chuang, Joseph Edy, Tiziano Edini, Alessio Urzetta, Daniel Ojeda, Davide De Biasi, Giulian Minaudo
Chor der Deutschen Oper am Rhein
Düsseldorfer Symphoniker