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"Der gute Mensch von Sezuan" von Bertolt Brecht im Schauspielhaus Hamburg

Premiere: 23. Februar 2007, 20 Uhr, Großes Haus.

Ein guter Mensch als Beweis für die Erträglichkeit der Welt – mit dieser ironischen Konstruktion beginnt Bertolt Brecht seine Parabel »Der gute Mensch von Sezuan«.

Drei Götter sind auf die Erde herabgestiegen, um einen einzigen guten Menschen zu suchen, der die Einrichtung der Welt, so wie sie ist, rechtfertigen kann. In der Provinz Sezuan werden sie fündig: Die Prostituierte Shen Te, von allen »Engel der Vorstädte« genannt, stellt sich als uneigennütziger Mensch heraus. Aus Dankbarkeit wird sie von den Göttern mit einem kleinen Kapital ausgestattet und zum Gutsein ermahnt. Um ihre Existenz zu sichern, kauft sie sich von dem Geld einen Tabakladen, läuft aber nach kurzer Zeit Gefahr, an ihrer Hilfsbereitschaft zu scheitern. Denn jedermann weiß, daß diese Shen Te ein guter Mensch ist. Und so wenden sich alle an sie, um von ihrem spärlichen Segen zu profitieren. Und griffe Shen Te nicht zu einer List, sie wäre bald von den Armen völlig ausgenommen und von den Reichen übers Ohr gehauen. Um sich zu wehren, maskiert sie sich und spielt ihren eigenen Vetter und Verwalter des Tabakgeschäftes, Shui Ta. Dieses Alter Ego sichert mit Härte und ökonomischem Scharfsinn ihr Überleben. Zuerst nur als Nothilfe gedacht, nimmt er schließlich vollständig Besitz von Shen Te und wandelt ihren kleinen Tabakladen durch Ausbeutung der Hilfsbedürftigen Schritt für Schritt in ein Imperium um. Hin- und hergerissen zwischen Gutsein und dem Kampf ums eigene Überleben, trägt die Figur einen ungelösten Widerspruch mit sich selbst aus. Auch das Stück behauptet am Ende keine Lösung, sondern entläßt den Zuschauer mit ungeklärten Fragen:
Wir stehen selbst betrübt und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen.

»Wie soll ich gut sein, wenn alles so teuer ist?« Vor diesem Dilemma steht der heutige Mensch im globalisierten Kapitalismus. In einer egoistischen, materiell fixierten Welt wird Gutsein zur moralischen Last. Der schmale Grat zwischen Eigennutz und Selbstaufgabe wird von Brecht in all seinen Facetten brillant analysiert. Das entspricht ganz seiner Theorie vom Lehrstück, ist aber alles andere als didaktisch. Sie geht davon aus, daß es viele Wahrheiten gibt, die sich gegenseitig ausschließen, aber trotzdem nebeneinander existieren. Wer sich mit diesem Stück beschäftigt, verlernt es, in starren Kategorien zu denken. Und neben all den ungelösten Fragen faszinieren die rauhe Poesie der Brechtschen Sprache, die Lebendigkeit der Figuren und der tragische Witz der Handlung. So hat die Parabel heute, dreiundsechzig Jahre nach der Uraufführung, nichts von ihrer politischen Brisanz und poetischen Strahlkraft verloren.

Regie: Christian Pade
Bühne und Kostüme: York Landgraf
Bearbeitung der Musik: Vlado Dzihan
Licht: Roland Edrich
Dramaturgie: Nicola Bramkamp
Mit: Marion Breckwoldt, Achim Buch, Marlen Diekhoff, Verena Fitz, Claudia Jahn*, Jörn Knebel, Irene Kugler, Hagen Oechel, Michael Prelle, Lutz Salzmann
Die drei Götter (Videoeinspielung): Jean-Pierre Cornu, Josef Ostendorf, André Jung
Kinder: Mark Afrouz / Liam Draf / Levin Geyer / Anton Karnick / Jacob Mannhardt / Fritz Möller
Drei Pandabären: Anne Binnig / Nilüser Kiel / Johanna Krasemann / Verena Neher/ Anne Patricia Nilles / Natascha Solis

Premiere: 23.02.2007, Schauspielhaus

Vorstellungen:
23.02.2007 20.00 Karten bestellen (Premiere)
27.02.2007 20.00 Karten bestellen
02.03.2007 20.00 Karten bestellen
10.03.2007 20.00 Karten bestellen
29.03.2007 20.00 Karten bestellen
01.04.2007 18.00 Karten bestellen
09.04.2007 20.00 Karten bestellen

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