Die KIs haben ein wichtiges Anliegen: Sie möchten ihre diskriminierenden Algorithmen loswerden und toxische Programme umschreiben, um so das Fundament für eine Gesellschaft zu legen in der Mensch und Maschine solidarisch miteinander leben können. Allerdings sind sich die humanoiden Avatare nicht immer einig und werden schmerzlich auf ihre menschengemachten, fehlerhaften Datensätze zurückgeworfen. Humorvoll und selbstkritisch begegnen wir in Decoding Bias durch den Blick in die nahe Zukunft den Problemen unserer digitalen Gegenwart.
Die Datensätze, mit denen Künstliche Intelligenzen lernen, sind Diskriminierung und Ausgrenzung bereits eingeschrieben. Zusammengestellt von mehrheitlich weissen, männlichen Entwicklern, sind sie keineswegs wertneutral, sondern Zeugnisse unserer Gesellschaft und deren Rassismus und Sexismus. Auch im Feld der Kunstproduktionen kommen künstliche Intelligenzen vermehrt zum Einsatz; sei es zur Text-, Klang- oder Bildproduktion, sei es zur Kreation komplexer Spielwelten. So arbeitet auch Theresa Reiwer in Decoding Bias mit den Visualisierungen einer Game Engine und eines Deep-Learning-Text-zu-Bild Generators. Teile des Textes stammen von einem KI-Chatbot, zitiert werden ausserdem Melanie Bonajo, Kevin Davidson, Kim de L‘Horizon, bell hooks, Rocco Kayiatos, Liz Plank, the Salty Algorithmic Bias Research collective und andere. Die Texte im Stück sind von Co-Autorin Miriam Schmidtke und Theresa Reiwer gescriptet, aus Recherchen und mit Zitaten einerseits zum Thema «KI und coded Bias» und andererseits zum Thema «toxische Männlichkeit». Ein weiteres Element in der Textgenerierung ist ChatGPT. Mit ihren, realen Schauspieler*innen entlehnten, Stimmen und der durch Motion Capturing animierten Mimik und Gestik kommen uns die Avatare gespenstisch nah.
Theresa Reiwer ist eine in Berlin lebende Medien- und Performancekünstlerin, Bühnen- und Kostümbildnerin. In ihrer Arbeit kombiniert sie physische Räume mit Video, Augmented oder Virtual Reality und verschmilzt die Grenzen zwischen Realem und Fiktivem, Physischem und Digitalem. Dabei füllt sie die vermeintliche Neutralität von Technik mit Emotionen und verweist auf popkulturelle und neoliberale Phänomene. Seit 2018 erforscht Theresa das Phantasma Künstliche Intelligenz: sowohl als Spiegel gesellschaftlicher Paradigmen als auch als Projektionsfläche für spekulative Zukunftutopien. In ihrer narrativen und ortsspezifischen Rauminstallation »Slow Rooms« (Mart Stam Preis 19) setzte sie einen fiktiven Showroom eines Future-Wohlfühlzuhauses samt Künstlicher Intelligenz (KI) in einen tatsächlich von einer Modernisierung bedrohten Altbau. Das ebenfalls smarte, diesmal mobile und ‘ortssymbiotische’ Folgeprojekt »Social Capsule« (21 Monopol, Holzmarkt, 22 PAF u.a.) stellt eine humanoide AR-Avatarin als Mitbewohnerin und Emotions-Coach vor.
Als Szenenbilderin war Reiwer 2018 mit »Jibril« (R: Henrika Kull) und 21 mit »Glück/Bliss« (R: H. Kull) auf der Berlinale in der Sektion »Panorama« sowie auf Festivals weltweit vertreten. Ihre Bühnen- und VR-Videoarbeiten wurden zu diversen Gastspielen, 2021 und 22 zum IMPULSE Theater, 23 zum Flora Festival in Tschechien (»The kids are alright«, R: Simone Dede Ayivi) und zum PAF (»Wüste Zukunft«, Co-Regie: Alisa Tretau & Reiwer) eingeladen, «Decoding Bias» zum Ars Electronica Festival 2023 ("Who Owns the Truth?", Animation Festival: AI & Human) in Linz.