Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"Decamerone" von Kirill Serebrennikov nach Motiven von Giovanni Boccaccio in zehn Geschichten - Deutsches Theater Berlin"Decamerone" von Kirill Serebrennikov nach Motiven von Giovanni Boccaccio in..."Decamerone" von Kirill...

"Decamerone" von Kirill Serebrennikov nach Motiven von Giovanni Boccaccio in zehn Geschichten - Deutsches Theater Berlin

Premiere am Sonntag, den 8. März2020 um 19.00 im Deutschen Theater

Es gilt als die Bibel des Erzählens schlechthin und eines der großen Geschichtenarsenale der Weltliteratur: Giovanni Boccaccios Decamerone, verfasst in den Jahren zwischen 1349 und 1353. Seine Rahmenhandlung setzt mit der Pest in Florenz ein, vor der zehn junge Frauen und Männer auf einen Landsitz vor der Stadt fliehen. Dort erzählen sie sich zehn Tage lang jeweils zehn Geschichten (Decamerone heißt übersetzt: "Zehn-Tage-Werk"). Es sind allesamt Überlebenserzählungen, die die leidenschaftliche Liebe feiern.

 

Copyright: Ira Polyarnaya

Aus den insgesamt 100 Novellen hat der russische Regisseur Kirill Serebrennikov zehn Geschichten für zehn deutsche und russische Spieler_innen ausgewählt und ins Heute übertragen. Nicht auf einem toskanischen Landgut, sondern in einem profanen Gymnastikraum treffen Figuren unterschiedlichen Alters und sozialer Herkunft aufeinander. Hier trainieren auch sieben alte Frauen ihre Körper – Routinen gegen das Altern, den Tod. Die Bedrohung ist nicht in einem Außen verortet, sondern in der vergänglichen und verletzlichen Physis.

Damit verschiebt Kirill Serebrennikov den Fokus von der antiklerikalen, subversiv erotischen Ausrichtung hin zu einer unheimlichen, existentiellen Körper- und Zeitbetrachtung, musikalisch strukturiert durch den Wechsel der Jahreszeiten. Was hat noch Bedeutung angesichts der Vergänglichkeit? Die Liebe. Das gesprochene Wort.

Kirill Serebrennikov, Theater- und Filmregisseur, Leiter des Moskauer Gogol-Center, ist in Deutschland bisher vor allem als Opernregisseur in Erscheinung getreten. Decamerone wird seine erste Schauspielinszenierung hierzulande sein, gemeinsam entwickelt mit einem gemischten Ensemble und künstlerischen Team aus Moskau und aus Berlin.

Die ursprünglich für die Spielzeit 2018/2019 geplante Inszenierung von Decamerone war aufgrund eines umstrittenen Strafprozesses gescheitert. Der Regisseur Kirill Serebrennikov war von August 2017 bis April 2019 von den russischen Behörden unter Hausarrest gestellt worden, was die Realisierung einer Schauspielinszenierung am Deutschen Theater unmöglich machte. Als Zeichen der Verbundenheit mit Kirill Serebrennikov konnte das Deutsche Theater seine Inszenierung Who Is Happy In Russia erfreulicherweise während des internationalen Auftaktes Radar Ost des Festivals Autorentheatertage 2019 als Gastspiel zeigen und damit auch ein wichtiges politisches Signal für den damals noch immer mit einer Ausreisesperre belegten Künstler setzen.

Nachdem es im Sommer 2019 noch so schien, als könne Kirill Serebrennikov für die Proben zu Decamerone nach Berlin kommen, hat sich der Wind kurz danach wieder gedreht. Die Meldung von einer Neuauflage seines gerichtlichen Verfahrens, die uns im September 2019 erreichte, konfrontierte alle Beteiligten mit Schwierigkeiten: Die Ausreise aus Russland ist Kirill Serebrennikov während des laufenden Verfahrens nicht erlaubt, so dass die Realisierung des Projekts erneut in Gefahr zu geraten drohte.

Es entstand die Idee, eine Kooperation zwischen dem Deutschen Theater Berlin und dem Gogol-Center Moskau zu initiieren, um die gemeinsame Zusammenarbeit trotz widriger Umstände zu ermöglichen. Einige Reisen nach Moskau und eine Reihe von Gesprächen später wird Decamerone nun mit deutschen und russischen Schauspieler_innen im Januar und Februar in Moskau geprobt. Dort wird Kirill Serebrennikov in den Räumlichkeiten des Gogol-Centers die Inszenierung mit dem Team erarbeiten. Die Proben haben vor wenigen Tagen begonnen. In einer kurzen Endprobenphase in Berlin, die durch einen seiner engsten Assistenten begleitet werden soll, wird die Arbeit auf die Bühne des DT übertragen.

Deutsch von Yvonne Griesel

Regie / Bühne Kirill Serebrennikov
Choreografie Evgeny Kulagin
Kostüme Tatiana Dolmatovskaya
Komposition / Musikalische Leitung Daniel Freitag
Video Ilya Shagalov
Licht Robert Grauel, Sergey Kucher
Regieassistenz Anna Shalashova
Dramaturgie Birgit Lengers

Die DT-Ensemblemitglieder Marcel Kohler, Jeremy Mockridge, Almut Zilcher und Regine Zimmermann sowie die Diseuse Georgette Dee spielen mit russischen Schauspielkolleg_innen des Gogol Center sowie mit Laien.

Fillip Avdeev, Georgette Dee, Yang Ge, Oleg Gushchin, Marcel Kohler, Georgiy Kudrenko, Jeremy Mockridge, Aleksandra Revenko, Almut Zilcher, Regine Zimmermann, Daniel Freitag, Isabelle Klemt, Maria Schneider
Musiker_innen
Ursula Bischoff, Danuta Bodnar-Lazarowa, Bettina Haeseke, Monika Peters, Elfriede Poschidajew, Rose Marie Saalfeld, Christel Waschke, Sophie Westphal

Alte Frauen (Statistinnen)

Koproduktion mit dem Gogol-Center Moskau
Premiere Gogol-Center Moskau 25. Juni 2020

Mit freundlicher Unterstützung von dem Goethe-Institut, den DT Freunden und Manfred Wolff.

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 20 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

EMPFINDSAME MELODIK -- Neue CD mit Werken von Maria Theresia Paradis bei Berlin Classics

"Doch wer, wie du, den stillen, heitern Himmel im Herzen trägt, der siehet hell, der ist beglückt." Dies sagte Jakob Glatz über die Komponistin Maria Theresia Paradis. Bei diesem neuen Album mit der…

Von: ALEXANDER WALTHER

ZEITPANORAMA MIT HINTERSINN -- Gastspiel des Pfalztheaters Kaiserslautern mit Kalmans "Gräfin Mariza" im Theater HEILBRONN

Die ebenso attraktive wie reiche Gräfin Mariza kann sich vor lästigen Verehrern kaum retten. Sie ist sich aber sicher, dass diese es nur auf ihr Geld abgesehen haben. So greift sie zu raffinierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

BILDER, DIE SICH INS GEDÄCHTNIS BRENNEN -- "Madama Butterfly" von Giacomo Puccini im Festspielhaus Baden-Baden bei den Osterfestspielen

Interessant ist, dass sich Puccini von zwei Japanerinnen für "Madama Butterfly" beraten ließ. Kawakami Sadayakko wurde als 15jährige Geisha an den japanischen Premierminister verkauft und machte…

Von: ALEXANDER WALTHER

FLIESSENDE TRANSFORMATIONEN -- Neue CD mit Viktoria Elisabeth Kaunzner (Violine) bei Solo Musica

Die Geigerin Viktoria Elisabeth Kaunzner hat hier eine innovative Auswahl an zeitgenössischen Werken von Komponistinnen für Violine und Orchester zusammengestellt - darunter Weltersteinspielungen.…

Von: ALEXANDER WALTHER

SPÄTROMANTISCHER ZAUBER -- 7. Kammerkonzert des Staatsorchesters "Zwischen Wien und Budapest" in der Liederhalle STUTTGART

Nach der Uraufführung seines Bläserquintetts in Es-Dur im Jahre 1784 im Wiener Burgtheater berichtete Wolfgang Amadeus Mozart seinem Vater Leopold von dem "ausserordentlichen beyfall", den dieses Werk…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑