Mit den äußeren Widerständen jedoch treten auch die inneren Barrieren hervor und lassen diesen Einzelversuch einer mit Leidenschaft praktizierten Völkerverständigung scheitern.
Die Konfrontation der Kulturen, deren Verlauf entscheidend auch gesellschaftliche Zwänge und starre Familientraditionen beherrschen, vollzieht sich auf zwei Ebenen: Während die Wienerin und der Prinz aus Peking die Unmöglichkeit ihrer Amour fou als Tragödie erleben, deklinieren ein nachgereister Verehrer und die Schwester des chinesischen Aristokraten ein ähnliches Verhältnis in Buffomanier durch. Und dementsprechend vielfarbig, noch verstärkt durch das exotische Ambiente, geriet auch Franz Lehárs Musik. So artikuliert sich das komische Paar in einem auffallend unromantischen, auch Jazzelemente aufgreifenden Tonfall, die Hauptfiguren hingegen äußern sich in gefühlvollen Liedern, die meistenteils ein Schleier der Melancholie überschattet. Alle vier Liebende durchlaufen – jeder auf seine Weise – den Prozess einer existenziellen Desillusionierung und erweisen sich somit als repräsentative Kinder ihrer Entstehungszeit: 1929 – das Jahr der großen Weltwirtschaftskrise.
Die Inszenierung reduziert das weitschweifige Originallibretto auf knappe wesentliche Dialoge und konzentriert sich auf die inneren Befindlichkeiten der Figuren. Deren Deutung übernimmt in wesentlichem Masse das Bühnenbild, das, in vielfacher Hinsicht beweglich, fliessende Übergänge ermöglicht zwischen Wien und Peking und immer wieder neue Bühnenräume definiert. Die Kostüme spielen insofern mit einem Phantasieorient, als in der Operette das Fremde für die Europäer nicht als Reiseziel, sondern als Sehnsuchtsort eines von Zwängen befreiten Lebens funktioniert. In der Luzerner Neuproduktion treten Lisa und Sou-Chong als exemplarische Beispiele für gegensätzliche Verhaltensweisen in derselben Sache an: So kompromisslos und unbedingt die Wienerin ihren Lebenstraum zu verwirklichen versucht, so verzagt begegnet der Chinese den Herausforderungen seines kurzen Glücks. Ganz anders verläuft dieselbe Konstellation auf der unteren Etage: Mi, die Schwester des Prinzen, hätte ihre Koffer für eine Europareise schon längst gepackt, wenn Graf Gustav, ein treuer aber unerhörter Verehrer Lisas, seiner Liebe zu Mi mehr Glauben schenken würde …
MIT: Susanna Maria Kitzl, Simone Stock, Madelaine Wibom, Jason Kim, Martin Nyvall, Arnulf Seiler
PRODUKTIONSTEAM: Rick Stengårds (Musikalische Leitung), Dominique Mentha (Inszenierung), Ingrid Erb (Bühnenbild), Susanne Hubrich (Kostüme), Alonso Barros (Choreografie), Peter Weiss (Licht), Christian Kipper (Dramaturgie)
Chor und Extrachor des Luzerner Theaters, Luzerner Sinfonieorchester, Statisterie des Luzerner Theaters
WEITERE VORSTELLUNGEN: 10.11., 12.11. (13.30 Uhr), 18.11., 26.11. (20.00 Uhr), 30.11. (20.00 Uhr), 03.12. (20.15 Uhr), 10.12. (20.00 Uhr), 14.12., 21.12., 27.12., 29.12., 31.12.2006 (19.30 Uhr), 13.01., 19.01., 21.01. (13.30 Uhr), 04.02. (20.00 Uhr), 10.02., 17.02., 01.03., 03.03., 11.03. (20.00 Uhr), 09.04.2006, jeweils 19.30 Uhr