Spätestens seit Jean-Pierre Ponnelles legendärem Mozart-Zyklus in den 70er Jahren gilt das Kölner Opernhaus für "Così fan tutte" als besonderes Pflaster. Und wenn in der Person von Regisseur Michael Hampe auch noch ein langjähriger Intendant an die frühere Wirkungsstätte zurückkehrt, ist für nostalgische Anwandlungen ebenso gesorgt wie für hochgespannte Erwartungen an eine szenische Neudeutung von Mozarts schwärzester Komödie. Dass Hampe die gerade bei diesem Werk sehr reichhaltigen, wenngleich keineswegs immer überzeugenden Errungenschaften des "Regietheaters" bereichern würde, war von vornherein ausgeschlossen. Treue zu Partitur und Libretto stand im Vordergrund, in die Abgründe zwischen den Noten und Zeilen wurde nur dann und wann ein Blick riskiert. Demgegenüber zelebrierten Inszenierung und Bühnenbild (Carlo Tommasi) mit einigem Augenzwinkern das, was man als Rückkehr des Schönen auf die Opernbühne bezeichnen könnte: Wer möchte angesichts der südlichen Küstenlandschaft, über die sich ein wolkenlos blauer Himmel spannt, nicht sogleich nach Italien aufbrechen, um sich dort jenem dolce far niente zu überlassen, das den rechten Nährboden für die erotischen Eskapaden in Mozarts Buffa abgibt?
Dass letztere unversehens mitten hinein in die Tragödie führen, mag man erst ganz am Ende wirklich vermuten, wenn in der Wendung zum Publikum die Illusion aufgebrochen und das Blau des Himmels einem beklemmenden Schwarz gewichen ist (Licht: Hans Toelstede). Dass Hampes Inszenierung dennoch über weite Strecken zu erfreuen und zu fesseln vermag, liegt an der routiniert und sorgfältig erarbeiteten Personenregie, die zwar nicht mit wirklich überraschenden Einfällen aufwartet, dennoch das Geschehen in stetem Fluss und durchaus zwangloser Bewegung entfaltet. Und wenn dann auch noch in Gestalt von Ausrine Stundyte (Fiordiligi), Regina Richter (Dorabella), Claudia Rohrbach (Despina), Miljenko Turk (Guglielmo), Hauke Möller (Ferrando) und Bernd Weikl (Don Alfonso) ein stimmlich sehr homogenes und spielfreudiges Ensemble hinzukommt, ist für die rechte Opernunterhaltung bestens gesorgt. Howard Arman am Pult des Gürzenich-Orchesters sorgte für eine im Forte mitunter etwas hart konturierte Interpretation, die sich andererseits auch auf die in den Piano-Passagen geforderte Feinnervigkeit einließ. Was als Fazit bleibt, ist eine im besten Sinn konventionelle und sehenswerte Così-fan-tutte-Inszenierung, die wohl keine neue Sicht auf das Werk eröffnet, dieses aber auch nicht zugunsten seiner tatsächlichen oder vermeintlichen Modernität dekonstruiert.
In der besuchten Vorstellung gab es übrigens ein Kuriosum: Ferrando-Darsteller Hauke Möller war stimmlich indisponiert, und der kurzfristige engagierte Ersatz Christoph Genz konnte nicht mehr rechtzeitig in die komplizierte Bewegungsregie eingewiesen werden. So sang er die Partie gewissermaßen konzertant von einem seitlich der Bühne aufgestellten Notenpult aus, während die etatmäßige Besetzung, ansonsten wohlauf, dazu pantomimisch auf der Szene agierte. Diese Aufgabenteilung, anfangs vom Publikum beschmunzelt, klappte ganz hervorragend und trug auf verblüffende Weise zu der ja ohnehin zwischen Sein und Schein angesiedelten Handlung der Oper bei. Mozart, bekanntlich selbst ein rechter Theaterspaßvogel, hätte seine helle Freude daran gehabt.
Premiere: 11. Oktober 2006