Es ist das Vokabular des klassischen Tanzes, das George Balanchine in seinem 1941 uraufgeführten Werk "Concerto Barrocco" verwendet, jedoch erlaubt er sich subtile Modifikationen. Er lässt Arme schwingen, Hüften werden ausgestellt, parallele Fußstelllungen werden mit angezogenem Knie und herausgestrecktem Gesäß verschliffen. Das Corps de ballet aus acht Tänzerinnen, in überwiegend zwei Vierergruppen formiert, tritt in Interaktion mit den beiden Solistinnen, die im zweiten Teil durch einen Solisten ergänzt werden. Es gibt keine Handlung und keine Bühnendekoration, nur schlichte weiße Kostüme. Die Form in ihrer Klarheit steht im Mittelpunkt dieser Choreographie. George Balanchine erläutert nicht Johann Sebastian Bachs Konzert für zwei Violinen und Orchester in d-Moll, sondern hier treten Musik und Tanz in Dialog miteinander, um neue Sicht- und Hörweisen zu ermöglichen. Da jeder Schnitzer sichtbar wird, erfordert dieses ästhetisch ansprechende, hochkomplexe Werk präzise, akkurate Umsetzung, was an diesem Abend dem Ballett der Deutschen Oper am Rhein nicht immer gelang.
Ein Reigen von wechselnden Paarbeziehungen und zuschauenden Passanten und am Ende findet einer nicht sein Glück und bleibt allein. Hans van Manens "Kleines Requiem" zu drei Sätzen der gleichnamigen Musik von Henryk Miko?aj Górecki handelt vom Finden und Verlieren in menschlichen Beziehungen. Der Pas de deux ist das beherrschende Stilelement und wird im zweiten Teil auch als Männerduett praktiziert. Sinnlich und intensiv getanzt fand das 1996 kreierte Stück viel Anklang.
Jenseits von Csárdás- und Puszta-Seligkeit hat Martin Schläpfer nach Ausfall des Choreographen Marco Goecke innerhalb von nur vier Wochen sein 45minütiges Stück zu den Ungarischen Tänzen von Johannes Brahms entwickelt. Heiter und beschwingt nimmt er mit leiser Ironie die derzeitige traurige politische Situation Ungarns ins Visier - mit ihrer Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit. Da werden Ungarnfähnchen und eine Europafahne geschwenkt, ein schwarz gekleidetes Brautpaar wird ermordet und begraben. Dennoch erscheint alles in einem fröhlichen tänzerischen Trubel und wird äußerst schwungvoll getanzt. Was schon in Balanchines "Concerto Barroco" dezent vorhanden war, führt Martin Schläpfer als Grundprinzip weiter: eine quasi synkopische Tanzweise, nicht immer auf den Takt zu tanzen, sondern versetzt, gegen den Akzent. und so nimmt er mit seinen "Ungarischen Tänzen" Bezug auf die beiden zuvor gezeigten choreographischen Werke von Balanchine und Hans von Manen. Die "Ungarischen Tänze" von Schläpfer sind der überraschende Abschluss eines großartigen Ballettabends!
CONCERTO BAROCCO
George Balanchine © The George Balanchine Trust
Musik: Konzert für zwei Violinen und Orchester d-Moll BWV 1043 von Johann Sebastian Bach
Choreographie: George Balanchine
Musikalische Leitung: Christoph Altstaedt
Licht: Thomas Diek
Einstudierung: Patricia Neary
Solo-Violinen: Franziska Früh, Egor Greschishnikov
Soli: So-Yeoan Kim, Ann-Kathrin Adam, Andrij Boyxetskyy
Tänzerinnen: Doris Becker, Wun Sze Chan, Mriana Dias, Cristina Garcia Fonseca, Christine Jaroszewski, Nicole Morel, Virginia Segarra Vidal, Anna Tsybina
Orchester: Düsseldorfer Symphoniker
KLEINES REQUIEM
Hans van Manen
Musik: Kleines Requiem für eine Polka op. 66 von Henryk Miko?aj Górecki
Choreographie: Hans van Manen
Musikalische Leitung: Christoph Altstaedt
Bühne und Kostüme: Keso Dekker
Licht: Joop Caboort
Einstudierung: Mea Venema
Tänzerinnen: Marlúcia do Amaral, Feline van Dijken, Julie Thirault
Tänzer: Helge Freiberg, Alexandre Simões, Remus Sucheana, Maksat Sydykov
Orchester: Düsseldorfer Symphoniker
UNGARISCHE TÄNZE (Uraufführung)
Martin Schläpfer
Musik: Ungarische Tänze von Johannes Brahms
Choreographie: Martin Schläpfer
Musikalische Leitung: Christoph Altstaedt
Kostüme: Sabine Schnetz
Licht: Thomas Diek
Tänzerinnen: Sachika Abe, Ann-Kathrin Adam, Marlúcia do Amaral, Camille Andriot, Doris Becker, Wun Sze Chan, Mariana Dias, Yuko Kato, So-Yeon Kim, Anne Marchand, Nicole Morel, Carly Morgan, Louisa Rachedi, Virginia Segarra Vidal, Julie Thirault
Tänzer: Christian Bloßfeld, Andriy Boyetskyy, Paul Calderone, Martin Chaix, Philip Handschin, Antoine Jully, Marquet K. Lee, Sonny Locsin, Marcos Menha, Bruno Narnhammer, Bogdan Nicula, Chidozie Nzerem, Sascha Pieper, Boris Randzio, Martin Schirbet, Alexandre Simões, Remus Sucheana, Pontus Sundset
Orchester: Düsseldorfer Symphoniker
Premiere 10.11.2012 - Opernhaus Düsseldorf