Im schlichten, aber durchaus auch poetischen und anspielungsreichen Raum von Ingrid Erb findet die Regie hier zu einer inspirierenden Balance zwischen Spiel, Ernst, Posse und Psychodrama. Neben Galanterie findet sich auch echte Zuneigung. Die Bühne ist hier als zeitloser Raum konzipiert, die zu großen Teilen aus Holz und Papier besteht. Horizonte öffnen eine Tiefe des Raums, was auch an die Barockzeit erinnert. Man sieht dann strenge Kostüme zu Beginn, aus denen die Figuren immer mehr ausbrechen. Auf der Bühne wird somit eine eigene Realität geschaffen. So besteht eine Balance zwischen Realismus und Abstraktion. Mozart darf sich in dieser Inszenierung durchaus subversiv ausleben.
Mozarts und Da Pontes Oper "Cosi fan tutte" bündelt Motive wie Treueprobe, Verwechslungsspiel und Versuchsanordnung zu einem seltsamen Panoptikum des Zeitgeistes im 18. Jahrhundert. Die beiden Offiziere Ferrando und Guglielmo führen ihre beiden Verlobten Fiordiligi und Dorabella an der Nase herum. Sie wollen den Beweis ihrer unerschütterlichen Treue erbringen, und verstricken sich immer mehr in eine Intrige. Da wird Untreue nur dem weiblichen Geschlecht unterstellt - doch es sind die Jungs, die sich diese Intrige ausdenken. Die Frauenfiguren werden nun auch in dieser Regiearbeit stark gezeichnet. Zu Beginn sind sie allerdings auf die häusliche Atmosphäre beschränkt. Die Männer treffen sich im Kaffeehaus, die Frauen zuhause. Das Frauenduett erzählt, dass das Leben der Frauen schön, aber langweilig ist. Es ist eine Art Papierhaus, ein goldener Käfig.
Der Krieg bricht in dieser Inszenierung unmittelbar herein - und zwar in Form von napoleonisch gekleideten Soldaten. Schon in den Männerterzetten zu Beginn geht er los. Es ist ein Krieg im metaphorischen Sinn - als Konflikt mit These und Antithese. Am Ende brechen alle Konstellationen und Paare auseinander, was plastisch inszeniert ist. Es gibt kein Zurück mehr. Natürlich fehlt die Ironie nicht - insbesondere dann, wenn die Mädchen auf Alfonso als den eigentlichen Verführer hinweisen. Dieser gesteht lachend, sie hintergangen zu haben und rät zu schneller Versöhnung. Denn er hatte nur den Vorteil seiner Freunde im Sinn. Manchmal stehen auch skurrile Ideen im Vordergrund - wie beispielsweise ein Schaf auf Rädern, das hin- und hergezogen wird. Oder es findet gleich zu Beginn ein Spiel mit Tennisschlägern statt.
Da kann man sich dann über das passende Ambiente streiten. Die Personenführung überzeugt hier jedenfalls stärker als die szenischen Passagen.
Das Orchester des Nationaltheaters Mannheim musiziert unter der Leitung von Janis Liepins mit Einfühlungsvermögen, so dass die Empfindungen und Stimmungen überzeugend zum Vorschein kommen. Die Sängerinnen und Sänger sind in der Lage, die jeweilige seelische Situation auch musikalisch in fesselnder Weise zu gestalten. Diese Opera buffa obligaten Zuschnitts entfaltet so durchaus ihren besonderen Reiz mit verschwenderischen melodischen Einfällen. Der bestrickende melodische Zauber erfüllt die Partien von Fiordiligi und Dorabella mit den beiden versierten und strahlkräftig agierenden Sopranistinnen Seunghee Kho und Bettina Ranch. Und auch Ilya Lapich (Bariton) als Guglielmo sowie Rafael Helbig-Kostka (Tenor) als Ferrando gewinnen ihren Rollen einen erstaunlichen gesanglichen Klangfarbenreichtum ab. In weiteren Partien gefallen noch Lenka Macikova (Sopran) als Despina und Bartosz Urbanowicz (Bass) als Don Alfonso.
Im ersten Sextett gewinnen alle sechs Figuren ihren Rollen einen plastischen Klangfarbenreichtum ab. Der Lustspielgeist der Ouvertüre überträgt sich schnell auf die gesamte Oper. Beim Presto entfaltet sich ein toller Wirbel und die drei kurzen Themen besitzen elektrisierendes Feuer. Die Oboe trägt das schwärmerisch verliebte Motiv mit sphärenhaft-seliger Leichtigkeit vor, die Bässe lösen es mit dem Zitat "So machen's alle" ab. Gemeint sind natürlich die Frauen. Die "bella calma" des Schlusses kündigt sich schon viel früher an, ohne dass es den Handelnden bewusst wird. Außer Don Alfonso und Despina wissen die betroffenen Personen oftmals gar nicht, was und wie ihnen geschieht. Das zeigt nicht nur die verklärte Versunkenheit des Abschieds-Terzettinos im ersten Akt, sondern auch das Gegenbild des Pathos in Fiordiligis Rondo des zweiten Aktes, mit dem das Terzettino durch die Tonart E-Dur verbunden ist. Despina ist dabei die Gegenfigur zu den empfindsamen Mädchen. Sie wirkt wie die Colombine der Commedia dell'arte mit ihren Späßen und Intrigen.
Sehr schön gestaltet Bettina Ranch als Dorabella ihren Verzweiflungsausbruch in Rezitativ und Arie "Smanie implacabili". Das erscheint dann ganz im Sinne Da Pontes fast schon parodistisch. Die jagende Alla-breve-Bewegung wird hier jedenfalls plastisch herausgearbeitet. Das Pathos wirkt aber nie übertrieben. "Cosi fan tutte" ist übrigens der Auftakt eines kompletten Mozart-Da Ponte-Zyklus, den das Nationaltheater Mannheim in Koproduktion mit dem Nationaltheater Prag innerhalb von drei Jahren auf die Bühne des Schwetzinger Schlosses bringen wird. So gab es viel Schlussapplaus und "Bravo"-Rufe, die auch den famosen Chor des Nationaltheaters Mannheim einschlossen.