In der einfallsreichen Regie von Christoph Biermeier (Bühne und Kostüme: Claudia Rüll Calame-Rosset) werden die suggestiven Gegensätze von Himmel und Hölle präzis herausgearbeitet. In der Hölle donnert es, und es flackert das Feuer, im Himmel strahlen die Erzengel über den Wolken um die Wette. Gelegentlich denkt man sogar an Goethes "Faust". Dazwischen gehen immer wieder in geheimnisvoller Weise magische Türen auf. Da erscheint plötzlich der bayerische "Boandlkramer" als Gevatter Tod. Christian A. Koch spielt ihn mit urwüchsiger Kraft und spitzbubenhaftem Schalk. Er muss die Seelen, deren Zeit abgelaufen ist, in den Himmel oder in die Hölle bringen. Die Welt zwischen Himmel und Hölle würde sonst im Chaos versinken, wenn die göttliche Ordnung aus den Fugen geriete.
Das weiß natürlich auch der Teufel, den Oliver Moumouris nicht frei von Dämonie mimt (er spielt zudem den Trauzeugen Lenz). Er nutzt die Verliebtheit des "Boandlkramers" aus, um als "normaler Sterblicher" um Gefi zu buhlen. Als der "Boandlkramer" den kleinen Maxl (abwechselnd virtuos gespielt von Fatima Altinsoy, Greta Bald, Mia Jeiter und Tilda Najib) holen soll, verliebt er sich nämlich Hals über Kopf in dessen Mutter Gefi. Dieses psychologische Verwirrspiel wird vom Regisseur Christoph Biermeier plastisch herausgearbeitet. Da die Buchführung von Himmel und Hölle aber nicht durcheinander geraten darf, gibt er im Himmel den von Marcus Michalski burschikos gespielten Schwerenöter Gumberger ab, der seine Frauen systematisch betrogen hat.
Mit Hilfe von dessen Ratschlägen gerät der "Boandlkramer" plötzlich ins irdische Leben, was ihm nicht geringe Probleme bereitet. Obwohl der von Kim Patrick Biele nervös gespielte Bürgermeister Toni Brehm der Bräutigam von Gefi (hin- und hergerissen: Cathrin Zellmer) ist, schlägt ihr Herz immer noch für den als verschollen geltenden Anderl (facettenreich: Thomas Müller-Brandes), der noch von einem falschen Anderl (Markus Misselbeck) Konkurrenz bekommt. Anderl ist auch der Vater des kleinen Maxl. So spitzt sich die Situation in dieser farbenreich-schillernden Aufführung immer mehr zu.
Gefi macht sich immer noch Hoffnung, dass Anderl aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkehren könnte. Den in sie bis über beide Ohren verliebten "Boandlkramer" behandelt sie aber mit schroffer Zurückweisung. So geschieht letztendlich ein großes Wunder, denn der vermisste Anderl kehrt wieder zurück. Gefi ist überglücklich, trennt sich von Toni und die Familie ist wieder vereint. Auch die subtil-rustikale Musik von Thomas Unruh sorgt hier für die richtige Stimmung - insbesondere dann, wenn die Menge zu bayerischer Folklore tanzt.
In weiteren Rollen gefallen Gesine Hannemann als Tonis Mutter, Elif Veyisoglu als Pförtnerin Himmel, Lily Frank als Pförtnerin Hölle, zweiter Erzengel, toter Zuschauer und erster Erzengel. Reinhold Ohngemach mimt den katholischen Pfarrer meistens weihevoll. Wirtshausgäste, Tanzensemble Hölle und Kriegsheimkehrer sorgen für eine ausgelassene Stimmung. Manchmal fliegen auch die Fetzen, wie das in bayerischen Dörfern öfters vorkommt.
Der "Boandlkramer" hat die Menschen jedenfalls unter seiner Kontrolle und sorgt immer wieder für reichliche Verwirrung - vor allem bei den echauffierten und hypnotisierten Hochzeitsgästen. So ist eine insgesamt gelungene Inszenierung entstanden, deren szenische Kurzweiligkeit verblüfft. Sogar an Deutschlands "Wirtschaftswunder"-Zeit unter Konrad Adenauer wird erinnert. Auch die Choreografie von Magdalena Wurm passt ins Bild (Dramaturgie: Barbara Schöneberger). Und das Programmheft erwähnt sogar Adele Schopenhauer, die Schwester des Philosophen Arthur Schopenhauer, die oft in Goethes Haus verkehrte. Somit schließt sich der Kreis. Die Uraufführung in Esslingen war übrigens am 16. Februar 2023 im Schauspielhaus. Das Publikum applaudierte begeistert.