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Urqaufführung: "Chodorkowski" von Periklis Liakakis - sirene Operntheater Wien

Premiere 20.11.2015, 20.00, Atelierhaus der Akademie der Bildenden Künste, Lehárgasse 8, 1060 Wien. -----

Helden haben es schwer. Denn wenn sie ihre Mission beginnen, können sie noch nicht wissen, ob sie als Helden oder als Verlierer, als Vorreiter oder als traurige Verirrte enden werden. Sie stellen sich dennoch dem, was sie für notwendig erkennen - auch außerhalb der Gesellschaft und gegen die Vernunft.

sirene hat drei solche Helden, die für scheinbar aussichtslose Kämpfe alles riskiert haben, ausgewählt und folgt ihrem Mut und ihrer Bereitschaft, das Leben bedingungslos ernst zu nehmen: Nach den Premieren von GILGAMESCH im Mai und SISIFOS im Oktober widmet sich sirene im November Michail Borrisowitsch CHODORKOWSKi.

 

Das Libretto von Kristine Tornquist umfasst aber nicht nur das Königsdrama zwischen Chodorkowski und Putin, sondern auch die komplexen historischen Hintergründe von 1989 bis 2013. Die sich wandelnden Beziehungen zwischen Wirtschaft und Staat verändern im Lauf der Zeit auch die Beziehung zwischen den Protagonisten, die zu Beginn einander nicht ganz unähnlich sind - zwei junge, ehrgeizige Männer mit großen Plänen, die nichts zu verlieren haben. Die komplexen Zusammenhänge der geschichtlichen Auf- und Umbrüche verflechten sich mit finanzpolitischen Fehlern und machtpolitischen Intrigen zu einem Treibhaus, wo Aufsteiger gut gedeihen. Doch sobald die beiden Kontrahenten ganz oben angekommen sind, zeigen sich die charakterlichen Unterschiede. Während der eine sein Revier sichert, denkt der andere weiter und riskiert alles.

 

Chodorkowski - Ein Königsdrama

Die Diktatoren und die Feiglinge unter den Autoren begnügen sich stets mit historischen Dramen (Rolf Hochhut) Das Libretto von Kristine Tornquist versucht nicht nur das hochdramatische Königsdrama zwischen Chodorkowski und der von Putin verfolgten Politik, sondern auch die historischen Hintergründe von 1989 bis 2013 zu beleuchten. Denn mit der sich wandelnden Beziehung zwischen Wirtschaft und Staat verschob sich im Lauf der Zeit auch die Beziehung zwischen den beiden Protagonisten, die zu Beginn einander nicht so unähnlich waren - zwei junge ehrgeizige Männer mit großen Plänen. Die Zusammenhänge der geschichtlichen Auf- und Umbrüche verflechten sich mit finanz-politischen Fehlern und machtpolitischen Intrigen zu einem Treibhaus der Extreme, in dem Aufsteiger gut gedeihen. Doch sobald die beiden Kontrahenten ganz oben angekommen sind und dadurch aufeinanderstoßen, zeigen sich die charakterlichen Unterschiede. Während der eine sein Revier sichert, denkt der andere weiter voraus und riskiert alles.

 

Das Libretto wurde 2013 geschrieben, also noch bevor Chodorkowski Dezember 2013 anlässlich der PR-Offensive in Sotschi aus seiner 17jährigen Haft nach 10 Jahren überraschend freigelassen wurde. Die Freilassung ist darin somit nicht behandelt - als offenes Ende des Librettos stehen die Hoffnung und das Versprechen, das Chodorkowski im Gefängnis gegeben hat.

Spielball der großen Kräfte sind - wie immer - die kleinen Leute. Was hier erst als Buffopaar für lakonischen Witz sorgt, stürzt zuletzt in die Tragödie - denn im Gegensatz zu den Großen, die fallen und steigen und dabei doch nie ihre Bedeutung verlieren, leiden die sogenannten kleinen Leute unbemerkt, unbetrauert, umsonst.

 

Kristine Tornquist (Libretto, Inszenierung)

Perestroika und der schräge Sound der Russischen Revolution. Was für eine Wahl haben wir? Zwischen Wurst und Leben. Wir wählen das Leben! (Wladimir Putin) Die verstimmten Gitarren, der schlecht produzierte Schlagzeuglärm aus Moskau, Leningrad oder der DDR der 1970er, 80er und 90er-Jahre verklingen noch in meinem Kopf. Die rauen, brüllenden Stimmen die damals „No Future“ in billige Mikrophone eingesungen und aber wirklich gemeint haben. Damals haben wir nur wenig davon gewusst/wissen können. Heute fühlen wir Gänsehaut, wenn wir uns diesen Sound erneut anhören: Origineller und authentischer kann es nicht sein. Wenn wir diese Klang-Qualitäten heute mit vierteltönigen Blechbläser-Akkorden (die Rote Armee lässt grüßen!), dichten Streicherpartien und ätherischen Bajan-Klängen, gefiltert oder verzerrt durch Elektronik, behutsam zusammenmischen oder wüst aufeinander prallen lassen, was kann dabei entstehen! Und weiter: Was kann alles geschehen, wenn wir die Stimme eines Performance-Künstlers wie Didi Bruckmayr und die Stimmen klassischer Sänger auf der Bühne aufeinandertreffen lassen? - Eine originelle Musiksprache, eine Oper im Stil zwischen Stalinismus und Putinismus? Etwas, was jeder lieben würde? Etwas, das alle hassen werden? Die Frage scheint mir so spannend, dass man eine abendfüllende Oper komponieren muss, um zu einer Antwort zu kommen.

 

Periklis Liakakis (Komponist)

Geld und Politik

Wer auf Seiten der Macht ist, braucht nicht tapfer zu sein. (B. Traven) Michail Chodorkowski war einer jener Männer, die nach 1989 in arrangierten Versteigerungen die marode sowjetische Staatsunternehmen um ein Spottgeld zugeschanzt bekamen, privatisierten und sanierten. Zwischen diesen Oligarchen und der Politik gab es Stillhalteabkommen, dass die zum Teil im rechtsfreien Raum ablaufenden Geschäfte solange unbehelligt blieben, solange sie sich weder in die Politik einmischten noch sich der Einmischung der Politik widersetzten.

 

Chodorkowski, der reichste und erfolgreichste, verstieß in der ersten Legislaturperiode Putins gegen beide Regeln. Einerseits wollte er die Ölfirma Yukos nach westlichem Vorbild transparent machen und in eine Aktiengesellschaft umwandeln, was den Einfluss der Politik auf den Export der Bodenschätze unmöglich gemacht hätte. Andererseits wollte er, in seiner Entwicklung von der zunehmend regulierungsfreudigen Regierung und der korrupten Beamtenschaft behindert, in die Politik einsteigen. Er unterstütze intensiv mehrere, auch linke Parteien, um die demokratische Landschaft zu beleben, förderte kritische Medien, kritisierte vor laufenden Kameras in harschen Worten die Korruption der Einheitspartei Einiges Russland. Damit forderte er Putin persönlich heraus. Chodorkowski ignorierte stolz alle Warnungen. 2003 wurde er verhaftet und unter offensichtlich politischer Direktive mehrfach verurteilt und in einem sibirischen Arbeitslager inhaftiert. Diese Verurteilung änderte das Klima in Russland. Einige Oligarchen setzten sich daraufhin mit ihrem obszönen Reichtum ins Ausland ab, andere arrangierten sich mit Putin. Dezember 2013 erließ Putin eine überraschende Amnestie, seither lebt Chodorkowski in der Schweiz.

 

Putin und Chodorkowski

Ganz unabhängig von Sympathien, die man dem sanften Oligarchen gegenüber hegen kann, und der Ablehnung, die man einer Einparteienautokratie wie Russland entgegenbringt, stehen hier nicht nur zwei mächtige Männer einander in persönlicher Abneigung gegenüber, sondern auch die zwei Machtprinzipien, die sie vertreten – die Macht der Politik und die Macht des Geldes. Putin strebt im Erbe des Sowjetregimes absolute politische Kontrolle an, die reine Politik, die kaum von unabhängiger Öffentlichkeit, Medien, Justiz oder einfach durch Wahlen kontrolliert und korrigiert werden kann. Jelzins Politik war national und Putins Interesse ist konservativ - waren doch die Staatsbetriebe deshalb unterm Wert an Russen wie Chodorkowski verschenkt worden, damit sie unter russischer Kontrolle blieben. Dem hielt Chodorkowski die Macht des Geldes entgegen. Der neoliberale Kapitalismus, den er und seine Partner im Eiltempo aus dem Boden stampften, brauchte andere Strukturen. Er sucht Internationalität, muss nach internationalem Recht agieren, muss sich aber auch um sein Image sorgen. Selbst wenn Chodorkowski nicht der Idealist gewesen ist, für den man ihn inzwischen halten muss, war ihm immer an einer modernen russischen Gesellschaft gelegen, in der die Politik auf die Wirtschaft keinen direkteren Einfluss ausüben kann als über Gesetz und Steuererhebungen. Diese russischen Verhältnisse stehen im Kontrast zur Situation im Westen, wo die Konzerne und Banken längst die Politik vor sich herjagen. Als etwa George W. Bush in einer Brandrede Putin mahnte, Chodorkowski einen fairen Prozess zu machen und ihn freizugeben, sprach er nicht nur als oberster Sheriff westlicher Ideale, sondern er sprach auch im Namen der amerikanischen Ölfirmen, mit denen Chodorkowski verhandelt hatte und denen selbst verbunden war. Weder die reine Macht der Politik, noch die Ansprüche der Wirtschaft können eine Gesellschaft gesund regieren - das kann nur die Bereitschaft, das einzelne Schicksal als pars pro toto zu nehmen. In seinen Essays aus dem Gefängnis ließ Michail Borissowitsch Chodorkowski an dieser Erkenntnis keinen Zweifel.

 

Musikalische Leitung. Periklis Liakakis Studienleitung,

musikalische Assistenz und Korrepetition. Petra Giacalone

Regie. Kristine Tornquist

Choreographie. Bärbel Strehlau

Bühne. Andrea Költringer

Kostüm. Markus Kuscher

Maske. Csilla Domjan

Licht/Technik. Edgar Aichinger

Dramaturgie. Franz Kumpl. Isabelle Gustorff

Produktion: Jury Everhartz Eine sirene-Produktion

 

Mit

Michail Borissowitsch Chodorkowski. Clemens Kölbl

Marina Filippowna Chodorkowskaja. Ingrid Habermann

Wladimir Wladimirowitsch Putin. Alexander Mayr

Igor Iwanowitsch Setschin. Steven Scheschareg

Leonid Borissowitsch Newslin. Gernot Heinrich

Iwan Iwanowitsch. Sébastien Soules

Natascha. Lisa Rombach

Xenia Kritikowskaja, TV-Journalistin. Elsa Giannoulidou

Kate, PR-Firma. Katharina Tschakert

Alexej Wladimirowitsch Pitschugin. Matthias Haid

Wladimir Petuchow. Wilhelm Spuller

Roman Arkadjewitsch Abramowitsch.

Richard Klein Matteo Tiziani. Dieter Kschwendt-Michel Fortuna. Bärbel Strehlau

 

Termine: 20., 21., 22., 23., 25. und 26. November 2015 (20.00 Uhr) Ort: Atelierhaus der Akademie der Bildenden Künste, Lehárgasse 8, 1060 Wien

Am 21. November im Rahmen der Europäischen Theaternacht

 

Karten: www.ticketgarden.com/tickets/chodorkowski/ oder www.sirene.at/chodorkowski_karten bzw. sirene@sirene.at

Ermäßigungen für Ö1-Club-Mitglieder, MICA-Club-Mitglieder, Der-Standard-Abonnenten, Studierende, SchülerInnen. Es gilt der Kulturpass.

 

 

 

 

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