Voraus geht all dem Natascha Gangls Beschäftigung mit dem Paradoxon von Besitz. Hier wird die Hochzeit aus einem ungewohnten Blickwinkel betrachtet: nicht als Bekenntnis zu einem Menschen, sondern als Ausschluss aller anderen. Es ist ein Bündnis wie viele andere, die in einer Gesellschaft geschlossen werden: Es geht um Macht und darum, wer die Bedingungen dafür festlegt, und es geht um das Scheitern.
In einem Spiel zwischen Ritual, Theatralik und Improvisation werden die Besucher in die Feier miteinbezogen, als Gast, als Familienmitglied oder Liebesobjekt.
Das Hochzeitsbankett steht schon bereit und die Gäste warten hoffnungsfroh, um einem Akt der Exklusion beizuwohnen – zwei Menschen leisten den Schwur, sich künftig nicht mehr mit anderen zu teilen. Das Bündnis, das im Mittelpunkt einer Hochzeitsfeier steht, lässt die Geladenen wissen: Feiert, dass ihr nicht zu uns gehört! Zelebriert mit uns die Romantik des Ausschlusses! Lasst uns gemeinsam
die fragilen Grenzen der Monogamie festigen! Ein Szenario aus Festtagstafel, Altarraum und Hochzeitsbett wird eine Bühne für Reden, Rituale, Musik und Tanz. Nur werden die Requisiten missbraucht, der Walzer ist nicht mehr tanzbar, die Polonaise führt in die Irre. Die klassische Dramaturgie einer Hochzeitsfeier wird zu einer Orgie der Entgrenzung umgeschrieben.
Schon in dem Stück „Die große zoologische Pandemie“ beschäftigte sich die Dramatikerin Natascha Gangl mit dem Paradoxon von Besitz, entwickelte dann daraus „Ein Hochzeitsstück oder Ich gehöre zu den Menschen“. Mit dem Kollektiv Die Transmissionare verfolgt Gangl nun diese Linie weiter. Seit einiger Zeit sind sie auf der Suche nach einer neuen Verschränkung von Schreib- und Produktionsweisen. In „Nein, ich will! Eine Hochzeit für alle“ findet dieser Ansatz seine konsequent weiterentwickelte Umsetzung. In einem Spiel zwischen Ritual, Theatralik und Improvisation werden die Besucher in die Feier miteinbezogen, mal als Gast, als Familienmitglied oder Liebesobjekt. Wände
fahren rauf und runter, Bräute werden gestohlen, Reden gehalten, Hochzeitsvideos gedreht, Brautsträuße und Reis fliegen durch die Luft. Schließlich wartet ein Hochzeitsbett im Garten des Heimatsaals, wo ein Abend zwischen Euphorie und Bruchlandung, Scham und Erhabenheit zu Ende kommen wird. 40% Festgesellschaft 35% Theater 20% Ritual 5% kalte Füße.
DIE TRANSMISSIONARE
...nennen wir uns, wenn wir in unterschiedlichen Konstellationen gemeinsam Ereignisse, die das klassische Reproduktionstheater verlassen, entwickeln: PANDEMIE. Gebäre Dich Selbst! (Installation, Produktion: DRAMA FORUM, Theater am Lend, 2012.) Meine Träume erzähle ich Ihnen nicht. (Hörspiel, Ö1 in Kooperation mit DRAMA FORUM, 2014.)
Natascha GANGL, geboren in Bad Radkersburg (AT). Autorin, die mit der Performativität und Musik von Texten in Theater, Hörspiel und Prosa experimentiert. Sie lebt und arbeitet in Österreich, Spanien, Mexiko, studierte Philosophie und Szenisches Schreiben bei DRAMA FORUM von uniT. Sie wurde für ihre Arbeiten mehrfach mit Preisen und Stipendien ausgezeichnet. Zuletzt Hausautorin am Staatstheater Mainz. Demnächst ist sie mit der einmonatigen Schreibperformance „Experiencia Total“ zu Gast im MUPO Oaxaca, MX.
Kathrin MAYR, geboren in Osnabrück (DE). Nach ihrem Studium der Literaturwissenschaft und Kunst und diversen Assistenzen, studierte sie Regie an der Theaterakademie, Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Neben Projekten in der freien Szene mit Fokus auf Stückentwicklungen mit jungen Autoren waren und sind ihre bildhaften und körperbetonten Arbeiten zu sehen: Kampnagel Hamburg, Theater Osnabrück, Theater am Lend Graz, Lichthof Theater Hamburg, St. Pauli Theater Hamburg, Ringlokschuppen Mülheim u.a..
Regie Kathrin Mayr
Bühnenbild Christian Schlechter
Licht: Severin Mahrer
Musik Sergio Vásquez Carrillo
Kostüme Judith Förster
Regieassistenz: Marie Schepansky
Mit Richard Barenberg, Irene Benedict, Mathis Kleinschnittger.
Gesang: Friederike Harmsen
Koproduktion von steirischer herbst und DRAMA FORUM von uniT
weitere Aufführungen: Donnertag, 2. und Freitag, 3. Oktober 2014, jeweils um 19.30 Uhr