Bulgarien. Zwei Biografien. Die des Anarchisten Konstantin – zehn Jahre saß er für die Sprengung eines Stalindenkmals in Haft: Lager, Karzer, Zwangsarbeit, Psychiatrie, Kälte- und Hungerfolter, Wanzen, Schläge. Und die seines Folterers Metodi, dem »Michelangelo des Verhörs«, Produkt und Profiteur eines Regimes, das auf das Ressentiment der Zukurzgekommenen setzte und der Brutalität freien Lauf ließ. Doch das ist Jahre her. 1989 wechselt die Regierung, es bricht eine neue Zeit an – zumindest äußerlich. Die Protagonisten der Macht bleiben die gleichen. Sie haben sich ohne größeren Reibungsverlust neu eingerichtet. Erinnerungen sind trügerisch. Und unerwünscht. Konstantin versucht, in den Akten der Staatssicherheit Zeugnisse für das Erlebte zu finden. Er sucht die Wahrheit, zornig und kompromisslos. Seine Unerbittlichkeit wird ihm selbst von Leidensgefährten zum Vorwurf gemacht. Warum zurückschauen? Tatsächlich stößt Konstantin nur auf wenig aussagekräftige Dokumente. Die Sicherheitsbehörden haben gründliche Arbeit geleistet, ihre Arme reichen bis in die Gegenwart. Seine Erfahrungen werden negiert, finden keinen Widerhall. Und so bleiben Opfer und Folterer, Konstantin und Metodi, aneinander gekettet, ihre Biografien auf Lebenszeit miteinander verflochten, makaber aufeinander angewiesen durch die Zeugenschaft, die allein sie sich gegenseitig ablegen können.
Der Autor und Kosmopolit Ilija Trojanow recherchierte fast zwanzig Jahre, führte Gespräche mit Zeitzeugen, bezog Originaldokumente mit ein. Ein eminent politisches Buch, das ein zeitgeschichtliches Panorama von exemplarischer Gültigkeit entfaltet.
ILIJA TROJANOW (geb. 1965 in Sofia) floh als Sechsjähriger mit seiner Familie aus Bulgarien in den Westen. Er wurde ein deutschsprachiger Autor, preisgekrönt, ein Kosmopolit, der für diesen großen Roman zu den Wurzeln zurückkehrt. Fast zwanzig Jahre lang recherchierte er, führte Gespräche mit Zeitzeugen, bezog Originaldokumente mit ein. Es ist sein Lebenswerk. Ein eminent politisches Buch und ein schwindelerregender Blick in den Abgrund zwischen Macht und Widerstand. Am Schauspiel Hannover war Trojanow von 2012 bis 2015 Gastgeber der Gesprächsreihe Weltausstellung Prinzenstraße.
Die Inszenierung liegt in den Händen von Dušan David Pařízek, der schon in seiner Maria Stuart-Inszenierung der Spielzeit 2014/15 gezeigt hat, wie sehr ihm die Reduktion komplexer Handlungsstränge und einer Vielzahl von Figuren auf wenige Akteure liegt. Auch in Macht und Widerstand werden nur drei Schauspieler und eine Schauspielerin alle wichtigen Figuren des Romans verkörpern: Neben Henning Hartmann und Sarah Franke aus dem Ensemble spielen Markus John und Samuel Finzi (Tatort, Kokowääh), der erstmals am Schauspiel Hannover gastiert. Finzi stammt wie der Autor Ilija Trojanow aus Bulgarien und kann eigene Erfahrungen aus der bulgarischen Vergangenheit in die Probenarbeit einbringen. Als ehemaliger Moderator der Gesprächsreihe Weltausstellung Prinzenstraße ist Ilija Trojanow dem Schauspiel Hannover schon seit mehreren Jahren verbunden.
Regie und Bühne Dušan David Pařízek
Kostümbild Kamila Polívková
Dramaturgie Judith Gerstenberg
Mit Samuel Finzi, Sarah Franke, Henning Hartmann, Markus John
Karten 21,50-43,50 € unter Tel. 0511 9999 1111, im Internet unter www.schauspielhannover.de und an den Kassen der Staatstheater
Preview, 13. Dezember, 19:30 Uhr, Schauspielhaus