Ihnen werden die Bürgerrechte entzogen, sie dürfen nicht arbeiten, noch einen Wohnsitz haben, sie dürfen nur existieren und Jahrzehnte lang auf die Anerkennung ihrer Asylanträge warten. Die meisten von ihnen warten vergeblich und werden wieder abgeschoben in für sie lebensgefährliche Konflikte oder nicht lebbare Armut, verursacht durch europäische postkoloniale Ausbeutung. Weder die europäischen Regierungen noch ein großer Teil der europäischen Bevölkerungen wollen den Status der Komfortzone aufgeben. Diese Komfortzone besteht dank der Raubzüge in diejenigen Kontinente, aus denen die Flüchtlinge kommen und nun ihren Teil fordern. Zynisch wird ihnen real-politische Pragmatik entgegen gehalten.
Die Flüchtlinge aus den anderen Kontinenten der Welt haben ihre Demut abgelegt. Sie fangen an, sich zu artikulieren und politisch zu organisieren. Lampedusa Hamburg und Berlin sind Gruppen afrikanischer Flüchtlinge, die in Italien strandeten und von den dortigen Behörden in den Norden geschickt wurden. Sie werden sich mit dem Status bloßer Duldung nicht abfinden. Die Flüchtlinge sind Aktivisten geworden, die sich in Demonstrationen, Presse Konferenzen, Kirchenbesetzungen und anderen Aktionen artikulieren.
Die spektakuläre Besetzung der Wiener Votivkirche durch pakistanische Flüchtlinge war der unmittelbare Anlass für Elfriede Jelineks neuen Theatertext „Die Schutzbefohlenen“. Gewidmet ist er all jenen, die an Europa scheitern. Die Autorin leiht den Flüchtlingen ihre Stimme und lässt sie die Menschenwürde einfordern, die Europa als seine Erfindung so gerne für sich reklamiert.
Nicolas Stemanns Inszenierung dieses Textes aktiviert alle unlösbaren Fragen, die ein stellvertretendes
Sprechen für Flüchtlinge durch europäische Schauspieler aufwirft. Es spielen Thalia-Schauspieler, Gäste
und ein Flüchtlingschor. Bei einem Gastspiel in Amsterdam stand ein Aktivistenchor auf der Bühne.
Premiere hatte die Inszenierung im Juni beim Festival Theater der Welt.
Eine öffentliche Lesung des Textes haben Schauspieler des Thalia Theaters im Herbst vorigen Jahres in
der St. Pauli Kirche anlässlich des Kirchenasyls für afrikanische Flüchtlinge der Gruppe Lampedusa
veranstaltet.
Regie&Bühne Nicolas Stemann
Bühnenbildmitarbeit Anja Hertkorn
Kostüme Katrin Wolfermann
Musik Daniel Regenberg/Nicolas Stemann
Video Claudia Lehmann
Dramaturgie Stefanie Carp
Ernest Allan Hausmann, Felix Knopp, Daniel Lommatzsch, Barbara Nüsse, Sebastian Rudolph
sowie Thelma Buabeng, Isaac Lokolong, Dennis Roberts und der Chor der Flüchtigen, Live-Musik Daniel
Regenberg
Weitere Vorstellung am 16. September um 20 Uhr
Karten 040. 32 81 44 44 / www.thalia-theater.de