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Uraufführung: »Der Nazi & der Friseur« nach dem Roman von Edgar Hilsenrath im Theater Magdeburg

Premiere am Sa. 2. 5. 2015, 19.30 Uhr, Schauspielhaus. -----

Konsequent und schonungslos erzählt der jüdische Autor Edgar Hilsenrath in »Der Nazi & der Friseur« aus der Täterperspektive von der Zeit des Nationalsozialismus, und er stieß damit in Deutschland zunächst auf Ablehnung. 70 Jahre nach Kriegsende wird der auch heute noch brisante Roman in einer dramatischen Fassung von Susanne Lietzow in Magdeburg uraufgeführt.

Max Schulz wächst zusammen mit dem gleichaltrigen, jüdischen Nachbarssohn Itzig Finkelstein auf und lernt durch ihn die ihm fremden religiösen Gebräuche und Traditionen, die hebräische Sprache und Schrift, sowie im Friseursalon von Itzigs Vater das Handwerk des Friseurs kennen. Doch die Machtergreifung der Nationalsozialisten ändert alles. Itzig wird im KZ ermordet und Max wird Vorzeige-SS-Offizier. Um nach 1945 der Gerechtigkeit zu entfliehen, bemächtigt er sich Itzigs Identität, reist nach Palästina und gibt sich dort als Opfer des NS-Regimes aus. Was als brutale Ausflucht beginnt, wird zum Vexierspiel zwischen Schuld und Unschuld und stellt die Kategorie von Opfer und Täter auf den Kopf.

 

Erst nach englischer Übersetzung und einer Millionenauflage in England und den USA wird Hilsenraths Groteske 1977 auch in der deutschen Originalfassung veröffentlicht. Dabei zeichnet Hilsenrath die Figuren seines Romans mit viel Verständigkeit als Menschen, die ihrer Zeit und dem Betrachter vollständig ausgeliefert sind. Fern ab von historischen und moralischen Belehrungen kämpft die einbeinige Trümmerfrau ebenso naiv ums Überleben, wie der Terrorist im jüdischen Untergrund. Hilsenrath spielt so konsequent mit der Perspektive von Täter und Opfer, dass er die Austauschbarkeit des scheinbar Unaustauschbaren ermöglicht. Jude, Arier, Wahrheit, Lüge – alles scheint aus dem jeweils anderen hervorzugehen.

 

Das Motiv der ständigen Metamorphose ist auch für Regisseurin Susanne Lietzow bei der Uraufführung ihrer eigenen Dramatisierung des Romans von zentraler Bedeutung. So konfrontiert uns nicht nur Max Schulz als Erzähler direkt mit den unterschiedlichen Facetten seiner Identität. Auch die anderen vom Krieg gezeichneten Figuren durchlaufen einen fortwährenden Prozess der Wandlung: wechseln die Rollen, die Kostüme, das Geschlecht und sogar die moralischen Grundsätze, um unsere Sinne gegen vorgefertigte Erwartungshaltungen zu schärfen.

 

Edgar Hilsenrath wurde am 2. April 1926 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Leipzig geboren. 1938 flüchtete er mit der Mutter und dem jüngeren Bruder nach Rumänien. 1941 wurden er und seine Familie in das Ghetto Moghilev-Podolsk in der Ukraine deportiert. Nach dessen Befreiung 1944 wanderte Edgar Hilsenrath 1945 nach Palästina aus. 1947 reiste er nach Frankreich, wo er wieder mit seiner Familie zusammentraf. 1951 emigrierte er in die USA und lebte bis 1975 in New York. Hier verfasste er 1964 seinen ersten Roman »Nacht«. Ende 1975 kehrte er nach Deutschland zurück und lebt heute in Berlin. Für seine Werke erhielt er zahlreiche Auszeichnungen (u.a. Alfred-Döblin-Preis, Lion-Feuchtwanger-Preis, Deutscher Hörbuchpreis für »Der Nazi & der Friseur«). Für seinen Roman über den Genozid an den Armeniern »Das Märchen vom letzten Gedanken« erhielt er 2006 die Ehrendoktorwürde der Staatlichen Universität Jeriwan.

 

Susanne Lietzow, geboren 1968 in Innsbruck, absolvierte ein Studium der Bildhauerei in New York sowie eine Schauspielausbildung in Innsbruck. Es folgten Engagements als Schauspielerin am Theater Phönix in Linz und am DNT Weimar, wo sie jeweils auch Regie führte. Seit 2005 ist sie Mitglied der künstlerischen Leitung des Projekttheater Vorarlberg. Sie inszeniert regelmäßig am Staatsschauspiel Dresden, so u.a. die Uraufführung von Erich Kästners »Klaus im Schrank« sowie zuletzt »Corpus Delicti« von Julie Zeh und »Das Gespenst von Canterville« von Oscar Wilde. Sie ist außerdem am Schauspiel Hannover, am Schauspielhaus Wien, am Theater Phönix Linz und an der Garage X Wien als Regisseurin tätig. 2006 erhielt sie für »How much Schatzi?« nach H. C. Artmann gemeinsam mit dem Projekttheater Vorarlberg den Nestroy-Theaterpreis für die beste Off-Produktion. 2014 gewann sie den Nestroy-Preis in der Kategorie »Beste Bundesländer-Aufführung« für ihre Inszenierung von »Höllenangst« am Theater Phönix Linz.

 

für die Bühne dramatisiert von Susanne Lietzow

 

Regie Susanne Lietzow

Bühne und Kostüme Aurel Lenfert

Video Petra Zöpnek

Dramaturgie Lisa Dressler

 

Minna Schulz, ,Frau Holle, Susi Wirth

Eine DP-Krankenschwester,

Mira Finkelstein

 

Itzig Finkelstein, Die dürre Hilda Raphael Gehrmann

Katjuscha, Hannah Lewisohn, Einer

Der Väter, SS-Soldat

 

Willi Holzhammer, Amerikanischer Timo Hastenpflug

Sergeant, Host Kumpel, Einer der

Väter, SS-Soldat, Haganah-Soldat

 

Max Schulz Konstantin Lindhorst

 

Siegfried von Salzstange, Ein Vater, Ralph Martin

Günther Holle, Der Rabbi,

Haganah-Soldat

 

Anton Slavitzki, Adolf Hitler, Sebastian Reck

Der amerikanische Major,

Max Rosenfeld, Einer der Väter,

SS-Soldat, Haganah-Soldat

 

Chaim Finkelstein, Pelzhändler Thomas Schneider

Abramowitz, Einer der Väter,

Veronja, Amtsrichter Wolfgang

Richter, Haganah-Soldat

 

nächste Vorstellungen: 14. 5. / 29. 5. / 5. 6. / 12. 6. 2015

 

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