Mit ihrem Debüt «Von den Beinen zu kurz» gewann sie 2013 den Mühlheimer Dramatikerpreis, den höchst gesetzten Autorenpreis im deutschsprachigen Theater. Sie ist damit die jüngste Preisträgerin in der Geschichte dieses Wettbewerbs. Für das Luzerner Theater schrieb sie das Stück «Ändere den Aggregatzustand deiner Trauer oder Wer putzt dir die Trauerränder weg?».
Ich hätte Lust, von verschiedenen Arten der Traurigkeiten zu erzählen, vielleicht der Trauer eine Art
Stimme reinzustopfen, die gasförmig ist und viel Platz will, sofort, zum Beispiel der Tod, personifiziert, der es Leid geworden ist, ein Trauerverursacher zu sein, alle Kinderzeichnungen der Welt, dann die
Traurigkeit der Desillusionierung als Coming of Age Kehrseite: Die ganzen Dinge, die sich nie eingelöst
haben und nicht einlösen werden …
Wichtig: Wie geht eine Sprache der Trauer, gibt es eine Sprache der Trauer, welche Worthülsen aus dem «Trauerjargon» sind geläufig? Welche sind die Worthülsen, mit denen man sich beim Trauern Abhilfe zu verschaffen versucht? Können andere mittrauern? Stockt der Mensch als empathiefähiges Tierchen vor der Trauer? Wie möglich, wie unmöglich ist das Trösten? Warum ist es wohl so, dass im 19. Jahrhundert das, was wir heute depressiv nennen, «melancholisch» genannt wurde? Muss man durch das Nadelöhr der Trauer? Wie viel kostet das? Und muss ich jetzt unabdingbar Krebs kriegen, weil ich nicht weiss, wohin mit der Trauer? Sparfanatismus ist die Abwendung einer möglichen Enttäuschung, es ist die Unterdrückung und Vorwegnahme der Trauer, wie hält die das wiederum bloss aus, warum rächt sie sich nicht?
Ein Theatertext, der an der schweren Fassbarkeit der eigenen Endlichkeit nagt, ein Theatertext, der gegen den eng gegleisten Narzissmus sich gerne stellen wollte, ein Theatertext für die anderen, die nicht du sind, die keine spiegelnden Oberflächen haben. Von der Verkettung von Ereignissen, ein Text darüber, dass man vielleicht besser daran getan hätte, den Menschen bei seiner Geburt zu beweinen statt bei seinem Tod. Ein Text über die energetische Freisetzung, könnte man alle Depressionen aus den Herzen und aus den Köpfen mittelständischer mitteleuropäischer gepamperter Menschen löschen. Ein Text, der sich der Frage widmet, wie genau ein so grosser Opa in eine so kleine Urne kommt. Ein Text, der fragt, warum Trauer so zähe Gallensäfte benötigt, bis sie einen verlässt, während die Freude sich zahme und schnelle Abgänge sucht. Ein Text über totgefahrene Füchse und ihre Seelen, über den vielleicht schwer stillbaren Durst nach Trost, Urnendesign und Aschestückchen zwischen den Zähnen. -
Katja Brunner wurde 1991 in der italienischen Schweiz geboren und wuchs in Zürich auf. Mit ihrem Debüt «Von den Beinen zu kurz» gewann sie 2013 den Mühlheimer Dramatikerpreis. Zudem wurde sie in der aktuellen Kritikerumfrage des Fachmagazins «Theater heute» zur Nachwuchsautorin des Jahres gewählt. Ihr zweites Stück «Die Hölle ist auch nur eine Sauna» wurde zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen. Der Spiegel wählt «Von den Beinen zu kurz» zum besten neuen Stück des Jahres 2013
Tobias Becker schreibt zur Begründung: «Dieser Text ist eine Zumutung. Denn er ist derbe im Ton,
übervoll mit Bildern grotesker Körperlichkeit. Er ist ein Schock. Denn er transportiert Empathie mit einem Pädophilen. Er ist ein Graus. Denn eine missbrauchte Tochter verteidigt ihren Vater, ja mehr noch: Sie rechtfertigt sein Tun. Dieser Text ist aber auch eine Sensation. Denn Katja Brunner hat ihn geschrieben, als sie 18 war, und mit ihm den Mülheimer Dramatikerpreis gewonnen, als sie 22 war - als jüngste Autorin aller Zeiten. (…) Dieser Text ist auch ein Glück. Ein Glück fürs Theater. Denn für Texte wie diesen ist das Medium geeignet wie kein anderes: dafür, die Moral aufs Spiel zu setzen und mit ihr alle Gewissheiten. Für alles andere gibt es Leitartikel. Und die ‹Tatorte› am Sonntagabend. Verstörend ist eine der Lieblingsvokabeln, wenn Regisseure, Dramaturgen, Kritiker über Theaterstücke sprechen. Selten passt der Begriff so gut wie zu Brunners Text.»
Der Regisseur Marco Štorman gibt mit dieser Inszenierung sein Debut am Luzerner Theater und in der Schweiz.
BESETZUNG
Christian Baus, Jörg Dathe, Hans-Caspar Gattiker, Emma-Lou Herrmann, Paula Herrmann, Bettina Riebesel, Clemens Maria Riegler
PRODUKTIONSTEAM
Marco Štorman (Inszenierung),
Viola Valsesia (Bühne),
Silvana Arnold (Kostüme),
Thomas Seher (Musik),
Ulf Frötzschner (Dramaturgie)
Alle Vorstellungen
21.3. / 22.3. / 26.3. / 27.3. / 29.3. / 3.4. / 5.4. / 10.4. / 8.5. / 22.5. / 13.6.2014
EXTRA: Entdecker-Pass 3 UA im UG
Die drei Schweizer Uraufführungen von Katja Brunner, Daniel Mezger und Sabine Harbeke zum Preis von zwei mit dem Entdecker-Pass! Er ist an der Theaterkasse erhältlich.
Alle Biografien ab sofort unter: www.luzernertheater.ch