Haben Menschen in dieser Welt von akribisch konstruierten Geschlechternormen eine Chance, sie selbst zu sein? Ist das, was uns von Kindheit an als „natürliche Verhaltensweise“ anerzogen wurde, nicht eine einzige große Unterdrückung, ein Container oder gar ein Gefängnis? Können wir uns eine queere Utopie ohne Scham und Stigmatisierung vorstellen? Mit einer Liebe zur Freiheit für alle Formen des Begehrens und Ausdruckens anstelle der Macht für ausgewählte Gruppen?
Diesen Fragen geht die deutsch-polnische Performance-Projekt „niedoskonała utopia / an imperfect utopia“ nach, in der Regie von Noémi Ola Berkowitz. In einer gemeinsamen Recherche erforscht das Ensemble, bestehend aus zwei Spieler*innen der Münchner Kammerspiele und zwei Spieler*innen des TR Warszawa, verschiedenste Strategien, um die Geschichte der Unterdrückung und eingeübte Mechanismen abzuschütteln.
„niedoskonała utopia / an imperfect utopia“ ist ein immersiver Spielabend, bei dem sich Performer*innen und Zuschauer*innen sehr nahekommen. Es werden nicht nur gesellschaftliche Normen in Frage gestellt, sondern auch theatralische Normen. Das Publikum wird mit den Performer*innen auf der Bühne stehen und ein DJ wird den Sound gestalten und live Beats auflegen. Die Aufführungsform, die auf dem Sopot Non Fiction Theater Festival 2021 erarbeitet wurde, ist von der Underground-Queer-Performance-Szene beeinflusst, in der die Trennung zwischen Zuschauer*in und Teilnehmer*in aufgehoben wird.
Eine Forschung zu einer queeren Utopie jenseits des Hier und Jetzt; „niedoskonała utopia / an imperfect utopia“ ist ein Hybrid aus Befreiung und Camp, aus intimen Geständnissen, queerer Theorien und privater Aufklärung, aus Lügen und Wahrheiten, aus verschiedenen Sprachen und ihrem Versagen, - in dem die unmöglichen Träume endlich im richtigen Kostüm auftreten!
Martyna Wawrzyniak entwickelt als Autorin einen Text nach der gemeinsamen Recherche, in dem die unterschiedlichen Perspektiven im Ensemble ihren Ausdruck finden: Stadt & Land, Polen & Deutschland, öffentlich und privat, Scham und stolz, älter & jünger, binär und nichtbinär…
Mit dieser Inszenierung entsteht die erste Eigenproduktion der künstlerischen Partnerschaft zwischen dem TR Warszawa und den Münchner Kammerspielen. Beide Theater fühlen sich der experimentellen Erforschung neuer Formen sowie zeitgenössischen Stoffen verpflichtet. „Die Wirklichkeit nicht in Ruhe lassen“ lautet das Motto, mit dem die Kammerspiele 2020 in eine neue Intendanz gestartet sind, und wird auch Teil der Spielzeit des TR Warszawa, die unter dem Motto „turn on the full spectrum“ steht und sich mit Themen der queeren Kultur befasst.
weitere Vorstellungen 16. + 17. Juli