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Überraschendes Ende einer Geburtstagsfeier

"Salome" in der Deutschen Oper am Rhein

Copyright: Frank Heller

Richard Strauss Musikdrama "Salome", 1905 in der Hofoper Dresden uraufgeführt, ist jetzt in einer Neuinszenierung von Tatjana Gürbaca an der Deutschen Oper in Düsseldorf zu sehen.

Tatjana Gürbaca hat dafür ein gegenläufiges Konzept entwickelt. Der Blick als ein großes Thema dieser Oper findet quasi nicht statt. Die vielfachen textlichen Aufforderungen, einander anzublicken, werden nicht wahrgenommen. Die Macht des Blickes ist außer Kraft gesetzt. Der Blick wird ganz auf den Zuschauer verlagert. Die Bühne ist verengt und schwarz eingerahmt, so dass sich der Eindruck einstellt, als würde man das Bühnengeschehen im Fernsehen verfolgen. Und tatsächlich erwartet den Zuschauer auch eine Gewaltorgie, die nur allzu häufig in diesem Medium zu sehen ist.

Zunächst richtet sich der Blick jedoch in ein Wohnzimmer mit gepflegter Inneneinrichtung. Vorhangstoff und Tapete haben das gleiche Muster. Es ist die Geburtstagsfeier des Herodes, aber die Gesellschaft langweilt sich, lümmelt auf dem Sofa herum, greift zum Handy, sieht fern oder probiert Golfschläger aus. Erst die aus dem Kerker erschallende Stimme des Propheten Jochanaan mischt die Gesellschaft etwas auf und weckt das Interesse Salomes. Sie überredet Narraboth, der in sie verliebt ist, ihr Jochanaan zu zeigen. Fasziniert von der Andersartigkeit des Propheten, möchte sie seinen Körper, seine Haare, seine Lippen berühren. Aber er weist sie schroff zurück, verflucht sie sogar. Narraboth ersticht sich. Durch die Klagen des Propheten gegen die lasterhafte Herodias angestachelt, wird die Gesellschaft zügellos. Es kommt zur Vergewaltigung der Herodias.

Herodes fordert Salome auf, für ihn zu tanzen und verspricht ihr als Belohnung, was immer sie wolle. Trotz der Bitten ihrer Mutter, es nicht zu tun, lässt sich Salome darauf ein. Aber statt den Schleiertanz vorzuführen, hält sie in dieser Inszenierung einen Vorhang, den sie ab und zu lüftet um kleine Bühnenszenen zu präsentieren, in denen sie die Familiengeschichte enthüllt. Dabei scheint die Regisseurin Anleihen bei Shakespeares Hamlet genommen zu haben, der bekanntlich eine Schauspieltruppe dazu benutzt, ein Familiengeheimnis zu entlarven. Bei ähnlicher Konstellation in der Familie Hamlets und Salomes (Brudermord, Heirat der Witwe mit dem ehemaligen Schwager) ist das naheliegend. Als Belohnung fordert Salome den Kopf des Jochanaan Trotz vielfacher Bitten lässt sie sich nicht davon abbringen, denn nur so kann sie ihn endlich berühren.

Das Ende ist ungewohnt: Salome metzelt nach und nach die ganze Festgesellschaft nieder; und mit den Worten "Man töte dieses Weib" stirbt nicht Salome, sondern Herodes wird von Salome niedergemetzelt, bevor sie sich selbst erschießt. Salome leidet in dieser Inszenierung nicht so sehr unter unhaltbaren Familienverhältnissen, sondern an Langeweile und Überdruss, und die erzeugen Gewalt. Vielleicht hätte man sich doch einmal ansehen und dabei wahrnehmen sollen.

Beim Publikum fand die Aufführung begeisterten Anklang. Aus dem Sängerensemble herausragend war, neben der von Nicoal Beller Carbone gesungenen Titelpartie, John Wegner als Jochanaan.

Musikalische Leitung Christian Badea

Inszenierung: Tatjana Gürbaca

Bühne und Licht: Klaus Grünberg

Kostüme. Silke Willrett

Dramaturgie: Anne do Paço

Herodes: Udo Holdorf

Herodias. Renée Morloc

Salome: Nicola Beller Carbone

Jochanaan: John Wegner

Narraboth. Jussi Myllys

Page: Katarzyna Kunico

Erster Jude: Simeon Esper

Zweiter Jude: Michael Pflumm

Dritter Jude. Markus Müller

Vierter Jude: Manfred Fink

Fünfter Jude: Benno Remling

Erster Nazarener: Adrian Sâmpetrean

Zweiter Nazarener: Richard Sveda

Erster Soldat: Rolf Broman

Zweiter Soldat: Timo Riihonen

Cappadocier: Lukasz Konieczny

Sklave: Alma Sadé

Orchester: Düsseldorfer Symphoniker

Premieren

19.09.2009 - Theater Duisburg

08.11.2009 - Opernhaus Düsseldorf

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Lesezeit für diesen Artikel: 18 Minuten



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